Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Titel: Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schädlich
Vom Netzwerk:
Moment in der Wohnung und resümierten das Gespräch.
    Ich lese: »Die in Vorbereitung des Werbungsgespräches erarbeiteten Dr. Sch. belastenden Momente krimineller Handlungen und seine […] Beziehungen zu […] wurden während der Werbung nicht erwähnt. Auf eine Frage unsererseits, wer […] am 29.3.75 in seiner Wohnung war, antwortete Dr. Sch., daß er darüber nicht sprechen möchte, da es sich um eine zutiefst private Angelegenheit handele. Sollen sich in der weiteren Zusammenarbeit mit Dr. Sch. Schwierigkeiten ergeben, besteht die Möglichkeit, die belastenden Probleme auszuspielen. […]
    Einschätzung des Verhaltens Dr. Schädlichs während des Werbungsgespräches
    Dr. Sch verfolgte das gesamte Gespräch sehr aufmerksam, formulierte seine Fragen und Antworten exakt. Dabei versuchte er stets in Erfahrung zu bringen, welche Probleme uns speziell interessierten und welche Konsequenzen bestimmte Informationen, die er uns gibt, für ihn haben könnten. Das war besonders im Zusammenhang mit dem Gespräch über die […] zu erkennen.
    Insgesamt zeigte Dr. Sch. bei seinen Antworten noch eine gewisse Zurückhaltung. Er versuchte offensichtlich festzustellen, wie weit wir über bestimmte Probleme bereits informiert sind. Das betraf sowohl seine eigenen Probleme aber auch Hinweise zu den im Bericht genannten Fragen.
    Dr. Sch. zeigte sich sehr besorgt, daß über bestimmte Verbindungen, die er unterhält bzw. über sein Fehlverhalten (im Zusammenhang mit dem […] ) seine Arbeitstelle nichts erfährt.
    Obwohl Dr. Sch. sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt hat, können gegenwärtig die Motive dafür noch nicht klar beurteilt werden. Offensichtlich sind ihm die ihn belastenden Dinge voll bewußt und er befürchtet, daß ihm aus einer Ablehnung der Zusammenarbeit mit dem MfS Nachteile erwachsen könnten.
    Aus diesem Grunde und wegen des insgesamt positiven verlaufenen Werbungsgespräches wurde auf die uns bekannten Dr. Sch. stark belastenden Fakten im Gespräch nicht eingegangen. Es besteht bei auftretenden Schwierigkeiten in der künftigen Zusammenarbeit immer noch die Möglichkeit, darauf einzugehen.
    Salatzki
    Major«

    Dann werden sie die Wohnung verlassen haben. Vielleicht traten sie in einen sonnigen Tag, vielleicht zufrieden. Auftrag erfüllt.
    Ich lese: »Dr. Sch. erklärte sich ohne zu zögern bereit, mit dem MfS zusammenzuarbeiten. Er lehnte eine schriftliche Verpflichtung mit der Begründung ab, daß seine mündliche Zusicherung ausreichende Garantie für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sei. Dr. Sch. schrieb eine Schweigeverpflichtung, die so formuliert wurde, dass ersichtlich ist, dass er Kontakt zum MfS unterhält. Dr. Schädlich wählte sich selbst den Decknamen ›Schäfer‹.«
    Der handschriftlich vom Onkel formulierte Wortlaut ist folgender: »Über die zwischen mir und dem MfS bestehenden Kontakte und alle damit in Zusammenhang stehenden Informationen und Probleme, die mir bekannt werden, werde ich gegenüber jedermann Stillschweigen bewahren. Gez. Karlheinz Schädlich.«
    Das Losungswort bei einer Kontaktaufnahme sollte sein »Grüße von Sagert an Schäfer übermitteln«.
    Für die Zusammenkünfte erhielt er Adressen, entweder waren es als Geschäftsadressen getarnte Wohnungen oder Privatwohnungen, die von getreuen Genossen dem MfS zur Verfügung gestellt wurden, sogenannte IMKs mit Decknamen. Eine davon war »Bungalow«, ein Lagerraum und Büro in der Lederstraße 72 in Weißensee, an der Tür das Schild »Sitsa-Vertretung«. Die in dem Haus wohnenden Mieter, so hatte das MfS ermittelt, waren der Ansicht, »daß es sich um ein Sitzungszimmer der Firma handelt, in dem vorwiegend in den Vormittagsstunden Sitzungen abgehalten werden«. Die konspirative Nutzung war also gewährleistet.
    Die andere Wohnung hatte den Namen IMK/KW »Insel«. »Insel« war der Deckname von dem Journalisten Max Wonsig, der seine Wohnungen auf der Fischerinsel und in der Gubener Straße zur Verfügung gestellt hatte. Das Erkennungszeichen dort: »Grüße von Jochen, ich möchte das Manuskript abholen!« Der Zynismus ist kaum zu überbieten, der Name und die Tätigkeit des Vaters als Losungswort.

8
    Ich will nicht mehr! Die Birke vor meinem Arbeitsfenster treibt schon grüne Blätter. Die Birke, nicht nur schützende Kraft vor bösen Geistern, auch Baum der Sonnenwende. Baum der Gerechtigkeit. In alter Vorzeit sollen Druiden ihre Schüler bei einer Weihe mit einem Birkenreisig zum Zeichen der Reinigung berührt

Weitere Kostenlose Bücher