Immer wieder du: Roman (German Edition)
von Neonröhren flackert auf und erhellt einen großen Raum voller Säcke, in denen ich Tierfutter vermute. Es riecht muffig, aber nicht unangenehm. Zielstrebig geht Ben zu einem Kühlschrank und öffnet ihn. Er reicht mir eine Metallschale aus einem Regal daneben.
»Würdest du die bitte mal halten?«
»Wofür ist die?«
»Teufelfutter.« Er holt mehrere gelbe Pelzknäuel aus dem Kühlschrank und legt sie in die Schale. Ich brauche eine Weile, bevor ich in ihnen tote Küken erkenne.
»Iiih!«, kreische ich, lasse die Schale scheppernd fallen und greife mir an die Brust. Die Vögel fliegen ein allerletztes Mal – zu Boden. Ben ist entrüstet.
»Tut mir leid«, sage ich. »Mir war nicht klar, was es ist.« Schnell bücke ich mich und hebe die Schale auf, bringe es aber nicht fertig, die toten Tiere anzufassen.
»Schon gut, keine Bange.« Ben lacht in sich hinein, nimmt mir die Schale ab und sammelt die Küken ein.
»Tut mir leid«, wiederhole ich, und mir wird ganz warm im Gesicht. »Ich hab wohl überreagiert. Dabei wollte ich eigentlich mal Tierärztin werden.«
Er stellt die Schale mit den Küken auf die Anrichte. »Eigentlich?«, fragt er. »Jetzt nicht mehr? Warum nicht?«
»Meine Noten waren nicht gut genug«, erwidere ich verlegen, während ich ihn über die Futtersäcke hinweg beobachte und anfange, in einem Sack herumzukramen.
»Noten? Bist du an der Uni?«
»Nein«, sage ich. »Ich gehe noch zur Schule.«
»Schule?« Er hält in seiner Arbeit inne und schaut mich verwundert an. »Wie alt bist du denn?«
»Fünfzehn, fast sechzehn.«
Seine Augen weiten sich. »Ich habe dich für viel älter gehalten.«
»Du bist der Zweite innerhalb von vierundzwanzig Stunden, der mir das sagt.«
»Echt? Wer war der Erste?«
»Josh. Michaels …«
»Ich kenne Josh«, unterbricht er mich und schüttelt demonstrativ den Kopf. »Nimm dich in Acht vor ihm!«
Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als mir einfällt, wie Joshs sexy Bauch am Vorabend aussah. »Wieso sagst du das?« Ich versuche, unbefangen zu klingen.
»Die Hälfte der Mädchen aus der Gegend kann ein Lied davon singen.«
Bei dieser Erklärung wird mir ganz flau im Magen. Ben merkt es nicht, kommt zu mir und reicht mir eine kleine braune Papiertüte.
»Was ist das?«
»Pellets. Futter für die Kängurus.«
»Danke.« Ich bin gerührt. Dann nimmt er die Schale von der Anrichte.
»Wegen Josh brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, sage ich. »Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Ich an deiner Stelle würde meine Schlafzimmertür nachts jedenfalls abschließen«, sagt er, als wir das Gebäude verlassen. Ich werfe ihm über die Schulter einen Blick zu, und er wirkt beschämt. »Sorry, das war unangebracht«, sagt er.
»Wieso?« Ich bin verwirrt.
»Du bist erst fünfzehn.«
Ich lache und tätschele herablassend seinen Arm, denn ich lasse mich nicht gern wie ein Kind behandeln. »Ich bin schon groß, keine Bange.«
Ben kratzt sich am Kopf und sagt: »Hör mal, ich muss jetzt den Vortrag bei den Teufeln halten. Wenn du zuschauen willst, es ist gleich da drüben. Michael hat mich gebeten, dich danach zum Mittagessen in den Aufenthaltsraum zu bringen.«
»Schon gut, ich weiß, wo der Aufenthaltsraum ist.«
»Okay, wie du willst.« Er schaut auf seine Armbanduhr und lächelt mich verlegen an, bevor er mit dem Kinn auf das ummauerte Gehege nebenan deutet.
»Geh ruhig«, fordere ich ihn auf. »Ich komme mit und sehe zu.« Wird höchste Zeit, dass ich erfahre, wie diese fleischfressenden Beuteltiere aussehen.
Kinder beugen sich über die Mauer, die das Gehege der Tasmanischen Teufel umgibt, offenbar ignorieren sie die Warnung auf dem Schild Vorsicht! Diese Tiere beißen! Ich schiebe mich vorsichtig durch die Menge, damit ich erkennen kann, was die Leute da betrachten, versuche dabei, den kleinen Ameisen auszuweichen, die über die steinerne Abtrennung flitzen. Ein schwarzbraunes Geschöpf dreht eine Runde im Gehege. Es sieht aus wie eine Kreuzung aus Katze und Hund, hat einen weißen Fleck auf dem Bauch und in der Sonne rot schimmernde Ohren. Das Tier klettert auf einen Holzklotz und schnüffelt voller Vorfreude auf seine Mahlzeit in die Luft. In dem Augenblick taucht Ben mit seiner silbernen Schale auf und beginnt zu sprechen. Fasziniert schaue ich zu, wie der Tasmanische Teufel die Küken mit seinem kräftigen Kiefer zermalmt, und ich empfinde unangebrachten Stolz, weil ich den Tierpfleger kenne, dem alle lauschen. Als die
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