Immer wieder du: Roman (German Edition)
hebe ihn auf. »Scht …«
»Was machst du da?«, ruft Josh.
Ich antworte nicht, sondern klettere den Abhang hinauf, vorbei an dem toten Muttertier.
»Was willst du mit ihm machen?« Joshs Stimme zittert vor Schuldgefühl, während er mir zum Wagen zurück folgt, und mir wird klar, dass er lieber keinen lebenden Beweis seiner gefährlichen Fahrkünste vor sich hätte.
Ich zögere keine Sekunde. »Wir müssen ihn zu Ben bringen«, sage ich. »Weißt du, wo er wohnt?« Ich schaue Josh direkt in die dunklen Augen, und er weiß, dass es klüger ist, sich jetzt nicht mit mir anzulegen.
»Ja«, murmelt er.
»Dann los.«
Ben wohnt nur ein paar Meilen entfernt, aber die Fahrt scheint ewig zu dauern, denn mit Josh in einem Wagen zu sitzen, ist das Letzte, was ich jetzt will. Endlich hält er vor einem einstöckigen Gebäude mit Wellblechdach und weißem Lattenzaun. Er macht keinerlei Anstalten, sich zu rühren, als ich aussteige.
»Kommst du nicht mit?«, frage ich ihn.
»Nein. Der wird dich bestimmt nach Hause fahren, oder?«
»Kann schon sein.«
»Dann bis morgen früh, ja?«
»Tschüss.«
Schwungvoll werfe ich die Wagentür zu, hätte sie am liebsten sogar zugeknallt, wollte das Tier auf meinem Arm aber nicht erschrecken. Erst als Josh wegfährt, überkommt mich ein leises Bedauern, ihm keine gute Fahrt gewünscht zu haben. Immerhin ist er nicht mit durchdrehenden Reifen von der Bordsteinkante gestartet, und ich kann nur hoffen, dass er seine Lektion gelernt hat – wenigstens für heute Abend.
Das Haus ist dunkel, als ich über den Pfad näher komme, und erst jetzt geht mir auf, dass Ben vielleicht gar nicht da ist. Dann sehe ich einen dünnen Lichtstrahl zwischen den Vorhängen nach außen dringen und bin erleichtert. Es ist fast Mitternacht, und womöglich schläft Ben schon, aber vielleicht habe ich ja Glück. Ich drücke auf die Klingel. Kurz danach geht die Tür auf, und Ben steht vor mir.
»Tut mir leid, wenn ich störe.« Die Wörter purzeln mir nur so über die Lippen. »Aber ich … wir … ich …«
Ein gedämpftes Quieken unterbricht meine Rede, und Bens Aufmerksamkeit richtet sich auf den kleinen Gast, den ich bei mir habe.
»Komm rein!« Er führt mich ins Haus und macht die Tür zu, bevor er sich wieder dem pelzigen Bündel in meinen Armen widmet. »Sieh mal einer an«, sagt er zärtlich, als ich ihm den jungen Koala reiche.
»Schhh, ist schon gut«, murmelt er, während er das Tier flüchtig untersucht. Jetzt, bei Licht, fällt mir auf, dass es ein geschwollenes Auge und mehrere Kratzer hat. Mir ist so schlecht, dass ich mich übergeben könnte. Ben schaut zu mir auf. »Was ist passiert?«
Ich schlucke die Galle hinunter. »Josh ist gefahren …«
Sein Blick wird hart, und ich weiß, dass ich mehr nicht sagen muss.
»Komm mit ins Wohnzimmer.«
Ich folge ihm kleinlaut und ärgere mich dabei, so hilflos zu sein. Ben trägt Jeans und ein schwarzes T-Shirt, daher weiß ich zumindest, dass ich ihn nicht aus dem Bett geholt habe.
»Ich hatte Angst, du würdest schon schlafen«, sage ich, als er das große Licht ausmacht, damit es dunkler wird. Zwei Lampen auf Beistelltischen tauchen den Raum in ein gedämpftes Licht.
»Ich war gerade am Telefon«, erwidert er. Mit wem spricht er wohl um diese Zeit? »Ich muss ein Heizkissen und ein paar Decken holen. Kannst du sie so lange halten?«
»Ist es ein Weibchen?« Ich nehme ihm das Bündel aus den Armen.
»Ja.«
Ben verlässt das Zimmer, und ich schaue auf das winzige Geschöpf hinab. Es fängt wieder an zu quieken, und mein Herz schmilzt dahin. Tränen rollen mir über die Wangen, als Ben zurückkommt.
»Hey«, sagt er liebevoll und berührt meinen Arm. »Willst du, dass ich sie nehme?«
»Nein.« Meine Stimme ist ganz schwach.
»Okay. Deine Körperwärme ist der Kleinen ohnehin lieber als ein Heizkissen. Ich mache ihr ein bisschen Milch. Möchtest du einen Tee, wo ich schon mal dabei bin?« Und als ich nicke: »Milch, ein Stück Zucker – richtig?«
»Ja, bitte.« Ben hat mir im Aufenthaltsraum schon einmal Tee gemacht. Nach einer Weile kommt er mit zwei Teebechern und einem laktosefreien Milchersatz zurück, den er aus Pulver für den Koala angerührt hat. Koalas seien allergisch gegen Kuhmilch, erklärt er mir, während er einen Sauger auf eine Spritze stülpt, die er mir dann reicht, damit ich die Kleine füttern kann. Wenn sie ein bisschen größer ist, wird sie eine Flasche brauchen.
»Was soll denn nun mit ihr
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