Immer wieder du: Roman (German Edition)
stattdessen. »Das ist jetzt alles Vergangenheit.«
»Ich kann gar nicht verstehen, warum du gezögert hast, nach Australien zu kommen. Ich hätte möglichst weit weg sein wollen.«
»Versteh mich nicht falsch, ich wollte nicht mehr in die Schule gehen. Am liebsten wäre ich zu meinem Vater gezogen. Wie ich es geschafft habe, die letzten Wochen zu überstehen, ist mir ein bisschen schleierhaft.«
»Das glaub ich dir gern.« Ben lehnt sich auf dem Sofa zurück und schaut mich an. Seine Augen verraten Besorgnis, und das vermittelt mir plötzlich ein komisches Gefühl.
»Kannst du die Kleine mal einen Moment halten?«, frage ich abrupt und deute mit dem Kinn auf den schlafenden Koala. »Ich muss mal.«
»Klar.« Ben beugt sich vor und übernimmt vorsichtig das pelzige Bündel. Als seine warmen Arme meine streifen, habe ich plötzlich Schmetterlinge im Bauch. »Zweite Tür rechts«, ruft er mir nach, als ich mit unerklärlich hochrotem Kopf aus dem Zimmer eile.
Was soll denn das? Ich mache die Badezimmertür zu und setze mich auf die Toilette, verwirrt von meinen Empfindungen. Vielleicht bin ich doch nicht so nüchtern, wie ich dachte.
Als ich ins Wohnzimmer zurückkehre, hängt Ben noch tiefer im abgewetzten braunen Ledersofa, und das Koalajunge hat sich in seine Arme gekuschelt. Ich setze mich neben ihn; komisch, das Sofa scheint kleiner geworden zu sein.
»Willst du sie wieder haben?«, fragt er.
»Nein, nein, schon gut«, murmele ich. »Sie sieht so zufrieden aus.« Ich werfe einen Blick auf Ben, der den Koala betrachtet, und wieder schweben die Schmetterlinge durch meinen Bauch. Was ist bloß in mich gefahren? Ich will doch was von Josh!
»Wie läuft es denn mit dem Autofahren?«, fragt er.
»Na ja …« Ich verdrehe die Augen. »Josh hat mir eine Übungsstunde erteilt.« Ben wirkt unbeeindruckt. »Ich habe mich nicht sonderlich geschickt angestellt«, füge ich hinzu.
»Was du nicht sagst«, bemerkt er sarkastisch. Er sieht mir in die Augen, und ich will schon den Blick abwenden, zwinge mich dann aber, den Blickkontakt zu halten und mich normal zu geben.
Bens Augen sind erstaunlich dunkelblau. Er sieht ziemlich gut aus. Erneut entgleiten mir die Gesichtszüge. Schnell schaue ich zur Seite. LILY! Was ist los mit dir?
»Möchtest du noch einen Tee?«, fragt er.
»Äh, ja, das wäre gut«, stammele ich.
»Hier, kannst du sie noch mal nehmen?« Ben deutet auf den Koala. »Oder soll ich sie vor die Heizung legen?«
»Nein nein, gib sie ruhig mir.« Ich habe das seltsame Verlangen, seine Arme wieder zu spüren, und abermals beschleunigt sich mein Puls. Ben, der davon nichts mitbekommt, reicht mir das Joey und verlässt das Wohnzimmer.
Ich knuddele den Koala und befehle meinem Herzen, sich zu beruhigen.
»Hör mal«, sagt Ben, und ich fahre zusammen, weil ich nicht gehört habe, dass er wiedergekommen ist, »soll ich dich nicht nach Hause bringen? Ich habe gerade auf die Uhr geschaut. Es ist halb zwei. Hab beim Reden mit dir ganz die Zeit vergessen.«
»Willst du denn, dass ich nach Hause gehe?«, frage ich.
»Nein, aber bist du nicht ziemlich kaputt?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein.«
»Ich kümmere mich jetzt um den Tee.« Ben schmunzelt in sich hinein und geht wieder in die Küche.
Moment mal. Er muss morgen arbeiten. Will er sich wirklich von einem jungen Mädchen den wertvollen Schlaf rauben lassen? Als er zurückkommt, bin ich sehr verlegen.
»Ich habe gar nicht dran gedacht, dass du morgen zur Arbeit musst«, sage ich. »Soll ich mir ein Taxi rufen?«
»Das dürfte um diese Uhrzeit schwierig sein. Keine Bange, ich fahre dich nach Hause. Du könntest auch im Gästezimmer schlafen, wenn du willst. Ach nein«, verwirft er diesen Gedanken auf der Stelle. »Dann macht sich Josh morgen früh bestimmt Sorgen.«
Ich schnaube verächtlich. »Machst du Witze? Josh würde nicht mal merken, dass ich nicht da bin. Sonntags steht er nie vor Mittag auf.«
Ben zuckt mit den Schultern und setzt sich wieder. »Wenn du bleiben willst, kannst du die Kleine mit ins Bett nehmen.« Er deutet mit einem Kopfnicken auf das flauschige Knäuel in meinen Armen.
»Hm?« Ich runzele die Stirn.
»Das machen viele Tierpfleger in so einer Situation. Manch andere lassen das Joey lieber allein, damit es den Trauerprozess allein durchlebt.«
»Das ist ja furchtbar!«, rufe ich. »Natürlich kann sie bei mir schlafen.«
»Das dachte ich mir.«
»Und du hättest sie in eine Kiste vor die Heizung gelegt?« Ich weiß,
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