Immer wieder du: Roman (German Edition)
fort.
»Scheiße.« Meine Reaktion klingt so kläglich. »War sie Alkoholikerin?«
»Nein, sie war beruflich mit dem Auto unterwegs und kam gerade von einem Weingut. Kein Kollege hat versucht, sie zu überreden, mit dem Bus nach Hause zu fahren.«
»Verdammt. Ich kann nicht glauben, dass Josh trotzdem betrunken Auto fährt.«
Ben seufzt. »Ich auch nicht. Bieg hier links ab.« Ich gehorche, und er sagt: »He, Lust auf einen Kaffee?«
»Klar.« Ich werd verrückt! Das ist sozusagen ein Date!
»Warst du schon mal in Hahndorf?«
»Nein, ich war so gut wie nirgends.«
»Dann los. Wir müssen wieder zurück auf den Highway.«
Hahndorf, stelle ich bald fest, ist eine kleine historische Ortschaft nicht weit von unserem Wohnort entfernt. Sie wurde von lutherischen Einwanderern gegründet; der deutsche Einfluss macht sich in der Architektur und der Küche vieler alter Läden, Cafés und Restaurants bemerkbar.
»Das ist ein tolles Lokal.« Ben weist mit dem Kinn nach vorn, als wir uns dem Hahndorf Inn nähern. An Biertischgarnituren auf dem Bürgersteig sitzen Gäste und trinken Bier.
»Willst du da rein?«, frage ich.
»Du denn?«, fragt er verdutzt und verwirft die Idee sogleich wieder. »Besser nicht, Michael wäre nicht begeistert, wenn ich dich in eine Kneipe schleppen würde.«
»Obwohl ich durchaus Alkohol trinke«, versetze ich schnippisch.
»Das ist mir seit dem Abend neulich schon klar«, erwidert Ben vielsagend. Ich bin so wütend, dass ich nicht reagiere. Ich will eh keinen beschissenen Drink. Ich lerne Auto fahren, verdammt!
Ich habe vergessen, dass in ein paar Tagen Weihnachten ist, aber die Dekoration an den Straßenlaternen und in den Schaufenstern ruft es mir schnell in Erinnerung. Ben weist auf einen altmodischen Süßwarenladen auf der anderen Straßenseite.
»Auf dem Rückweg müssen wir da noch rein. Seit ich denken kann, liebe ich deren saure Pfirsichherzen.«
Kurz danach halten wir vor dem Hahndorf Kaffeehaus.
»Da wären wir«, sagt er. »Hier gibt es die besten Kitchener Buns.«
»Was ist das denn?«
»So was wie Donuts, gefüllt mit Marmelade und Sahne. Die machen hier auch gute Croissants mit Schinken und Käse. Hast du Hunger?«
»Ein bisschen.«
»Du bist keine Vegetarierin, oder? Falls doch, gibt’s hier leckere Gemüsepasteten.«
»Nein, bin ich nicht. Bist du Vegetarier?« Ben kommt mir eher wie ein Typ vor, der Fleisch mit Kartoffeln und Gemüse braucht.
»Nö.« Er schüttelt den Kopf. »Möchtest du draußen sitzen?«
»Okay.«
Ich nehme auf der von einem grünen Lattenzaun eingefassten Terrasse Platz und schaue auf die geschäftige Hauptstraße. Zwei Pferde ziehen einen Wagen voller Menschen. Die Zügel der Tiere sind mit Lametta geschmückt.
Nachdem Ben an der Theke unsere Croissants bestellt hat, kommt er zurück und zieht einen Stuhl heran. Er greift nach einem Salzstreuer und nestelt daran herum. Am Morgen hat er sich offenbar nicht rasiert, an seinem Kinn wachsen sexy rotblonde Stoppeln. Er schaut auf und erwischt mich dabei, wie ich ihn anstarre.
»Wer kümmert sich heute um das Joey?«, frage ich rasch.
»Ich habe es heute Morgen auf dem Weg zu dir bei der Arbeit abgegeben«, erwidert Ben und hält meinem Blick stand. »Janine wird es füttern.«
»Wollen wir ihm nicht einen Namen geben?« Ich nehme den Pfefferstreuer und stelle ihn wieder ab, denn es soll nicht so aussehen, als würde ich Ben alles nachmachen.
»Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Wie willst du die Kleine nennen?«
»Ich? Oh, ich glaube, die Ehre gebührt dir.«
»Nein, nein, du hast sie gefunden – du solltest sie taufen.«
Ich überlege laut. »Wir könnten ihr den Namen von einer meiner Schwestern geben.«
»Oder deinen?«, schlägt Ben vor, und mein Herz macht einen Sprung.
»Lily?«, frage ich mit erstickter Stimme.
Er zuckt mit den Schultern. »Warum nicht?«
»Nein, nein, das wäre zu peinlich.« Obwohl, wenn die Kleine Lily hieße, würde Ben jedes Mal an mich denken, wenn er sich um sie kümmert. Hmm …
»Also lieber Kay oder Olivia?«, fährt er fort. Verdammt, zu spät. »Oder beides?«
»Kalivia?«, schlage ich mit ausdruckslosem Gesicht vor.
Er grinst. »Olikay?«
»Vielleicht werfen wir eine Münze.«
Ben holt eine aus seiner Tasche, derweil kommt eine Kellnerin mit unseren Getränken. Er wartet, bis sie ihr Tablett abgeräumt hat, dann macht er weiter. »Kopf für Olivia, Zahl für Kay?«
»Ja, los«, sage ich, und er wirft die Münze, fängt
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