Immer wieder du: Roman (German Edition)
außerordentlich entzückt von den Socken, die ich ihm letzten Endes gekauft habe. Josh hat nichts für mich, daher wirkt er ein bisschen beschämt, als ich ihm eine Geschenkpackung gesalzener Macadamia-Nüsse überreiche.
Ich verbringe eine Ewigkeit im Bad, um mich herzurichten, lege großen Wert auf mein Outfit und entscheide mich schließlich, wieder meinen schwarzen Rock zu tragen, diesmal mit einem purpurroten Top. Ich lasse die Haare offen, mache mir aber die Mühe, Lippenstift aufzutragen und einen Lidstrich zu ziehen, um meine hellbraunen Augen hervorzuheben. Dann warte ich.
Um ein Uhr lässt Michael den Sektkorken knallen. Um halb zwei fordert Mum uns auf, am Tisch Platz zu nehmen. Ich schaue sie verwirrt an.
»Warten wir denn nicht auf Ben?«
»Der kommt nicht«, sagt sie, als sei das längst bekannt.
Mir ist, als hätte sie mir einen Schlag in die Magengrube verpasst. »Warum nicht?« Panisch schaue ich von ihr zu Michael.
»Einer seiner Koalas ist in der Nacht krank geworden. Ben wollte ihn nicht allein lassen«, erklärt Michael.
»Ist es Olivia?«
»Das weiß ich nicht.«
»Aber … aber er kann doch nicht Weihnachten verpassen!«, rufe ich, zutiefst verzweifelt.
»Das ist ihm egal, Schätzchen«, winkt Michael ab.
»Aber Mum hat einen Truthahn für ihn gemacht!« Das klingt selbst in meinen Ohren lächerlich.
»Vielleicht können wir ihm etwas aufheben.«
»Können wir es ihm nachher bringen? Heute – nach dem Mittagessen?«, frage ich hoffnungsvoll, und meine Stimme wird mit jeder Frage schriller.
»Ähm …«
»Bitte, bringst du mich hin?«, bettele ich.
»Oh, Lily, willst du wohl aufhören?«, unterbricht Mum verärgert, aber Michael lenkt ein.
»Nein, das geht schon klar.«
»Ich möchte nachsehen, ob es dem Koala gut geht. Vielleicht ist es ja Olivia«, füge ich hinzu und ignoriere, dass Mum mit der Zunge schnalzt und die Augen verdreht. Und natürlich will ich sichergehen, dass Olivia gesund ist. Ihr hätte meine vordringliche Sorge gelten sollen, und ich schäme mich sofort für mich selbst, dass es nicht so war.
Das Mittagessen zieht sich hin. Als Michael nach der Sektflasche greift, um sein Glas zum dritten Mal nachzufüllen, kann ich mich nicht mehr bremsen.
»Solltest du das nicht lieber stehen lassen, wenn du mich zu Ben fahren willst?«
Michael macht ein ertapptes Gesicht und trinkt stattdessen ein Glas Wasser.
»Du könntest auch ein Taxi nehmen«, betont Mum.
»An Weihnachten kriege ich doch niemals eins!«, rufe ich.
»Wieso um alles in der Welt willst du überhaupt dahin?«, mischt Josh sich ein.
»Ich will nach dem Koala sehen«, erwidere ich und schaue ihn vielsagend an. »Du weißt schon, der Koala, dessen Mutter du getötet hast.«
»Lily«, warnt Mum.
Ich wende mich an Michael. »Bringst du mich jetzt? Danach kannst du ja was trinken. Ben wird mich nach Hause fahren.«
»Wenn du meinst«, sagt er.
Mum steht müde auf und streicht ihr blondes Haar zurück. »Ich mache einen Teller für ihn zurecht.«
Eine Viertelstunde später sitze ich vorn im Auto und balanciere einen mit Alufolie abgedeckten Teller auf dem Schoß.
»Darüber wird er sich total freuen«, sage ich zu Michael.
»Am Telefon klang er ziemlich gutgelaunt«, stimmt er mir zu. »Nett von dir, an ihn zu denken.«
Ich sage nichts, aber innerlich sprudele ich fast über vor Freude über diese Wendung der Ereignisse. Ich schaue aus dem Fenster, als wir bei Ben vorfahren. Als ich zum letzten Mal bei Tageslicht hier war, war ich zu sehr darauf konzentriert, rückwärts aus seiner Einfahrt zu setzen, aber jetzt erkenne ich, dass sein idyllisches Haus von Bäumen umgeben ist. Große purpurfarbene Blumen wachsen vor der Veranda.
»Ohne Charlotte ist er ein bisschen einsam gewesen«, fügt Michael hinzu.
»Ohne wen? Oh, ist das seine Oma?« Der Name klingt nicht gerade wie der einer alten Dame.
»Nein.« Michael lacht. »Charlotte. Seine Freundin – Verlobte, besser gesagt.«
Mir bleibt das Herz stehen. Buchstäblich.
»Wie bitte?« Das Blut weicht mir aus dem Gesicht.
»Da ist er ja.« Michael deutet mit einem Kopfnicken an mir vorbei, ich drehe mich um und sehe einen gutaussehenden, lächelnden Ben im Türrahmen stehen. »Viel Spaß, Schätzchen. Hoffe, dem Koala geht’s gut.«
Ich bin auf meinem Sitz festgefroren, starre aus dem Fenster auf den Menschen, der die Liebe meines Lebens ist. Davon bin ich in diesem Moment absolut überzeugt. Seine Augen begegnen meinem Blick, und sein
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