Immer wieder du: Roman (German Edition)
kann ich jetzt nicht gebrauchen.
»Schön«, sagt sie verhalten und legt ihre langen, schlanken Beine auf den Couchtisch. Mir fällt auf, dass sie braun geworden ist. Wahrscheinlich weil sie ihre Zeit sonnend im Garten verbringt. Mum fährt fort: »Wenn ihr beide über ein Joey sprecht, hab ich immer ein Känguru im Kopf. Ich wusste nicht, dass Koalajunge auch Joeys genannt werden.«
»Hm.«
»Wie ging’s Ben?«, fragt Michael beiläufig.
»Gut.« Dann kommt mir der Gedanke, dass ich hier und jetzt ein paar Antworten erhalten könnte, wenn ich es nur richtig anstelle. »Ich glaube aber, du hattest recht. Charlotte fehlt ihm.«
»Wer ist Charlotte?«
Gut gemacht, Mum.
»Seine Verlobte. Sie ist Engländerin. Ist vor zwei Monaten wieder zurückgegangen«, erläutert Michael.
»Oh, das muss schwer sein«, sagt Mum. »Wir wissen, was es heißt, eine Beziehung auf große Entfernung zu führen, nicht wahr, Liebling?« Sie grinst Michael an, und ich möchte sie anstupsen, damit sie nicht das Thema wechselt.
»Nicht mehr lange, dann ist er bei ihr«, verkündet Michael.
Die Galle kommt mir hoch. Ich versuche, mit gleichgültiger Stimme zu fragen: »Wann geht er denn hin?« Es sei denn, sie kommt stattdessen hierher.
»Mensch, das sind jetzt nur noch ein paar Wochen«, erwidert Michael.
Also geht er weg. Nein, bitte nicht!
»Wir werden ihn bei der Arbeit vermissen.«
»Dafür wird sich seine Verlobte freuen«, sagt Mum und rettet mich vor der Verlegenheit, eine Antwort zu formulieren. »Wann heiraten die beiden denn?«
»So bald wie möglich, glaube ich. Das arme Mädchen muss alle Vorbereitungen allein erledigen.«
»Das ist nicht gut«, sagt Mum missbilligend.
»Sie hatten keine andere Wahl«, fährt Michael fort. »Charlottes Visum lief ab, und sie wollte gern in ihrer Heimat heiraten, deshalb ist sie wieder nach Großbritannien zurück, um auf ihn zu warten, bis er hier seinen Krempel sortiert hat.«
»Könnt ihr vielleicht mal den Mund halten?«, sagt Josh barsch. »Oder geht nach nebenan. Ich will fernsehen.«
»Entschuldige«, sagt Michael und deutet mit einem Kopfnicken auf den Bildschirm. »Was haben wir verpasst?«
Den nächsten Tag verbringe ich im Bett und muss nicht einmal so tun, als wäre ich krank. Als Michael am Abend nach Hause kommt, frage ich mich, wie ich es schaffen kann, noch einen Tag zu schwänzen. Ich bin noch nicht bereit, Ben gegenüberzutreten. Ich habe vor, die Arbeit sausen zu lassen, so wie ich es in der Schule gemacht habe, als der ganze Mist mit Shannon und Dan hochkochte.
»Ich hoffe, es geht dir besser, Schätzchen. Wir sind nämlich im Moment etwas unterbesetzt.«
Das Herz wird mir schwer. »Echt?«
»Yep. Zwei Mitarbeiter liegen mit Sommergrippe im Bett, einer hat Jahresurlaub, und sogar Ben hat morgen frei, weshalb wir zwei zusätzliche Hände gebrauchen könnten.«
Den letzten Nebensatz höre ich nicht richtig, denn »Ben hat morgen frei« ist alles, was ich wissen muss.
»Mir geht es ein bisschen besser, danke«, sage ich. »Bestimmt schaffe ich es. Ich hoffe nur, dass ich keinen Rückfall erleide«, füge ich hinzu, um mich nach allen Seiten abzusichern.
Am nächsten Tag bin ich angespannt bei der Arbeit und rechne jeden Moment damit, dass Ben um die Ecke biegt. Doch das tut er nicht, und im Laufe des Tages entspanne ich mich allmählich. Zur Mittagspause schlendere ich hinunter, um Roy das Känguru zu besuchen, und beim Näherkommen sehe ich eine Familie, die im Schatten neben einer Gruppe Kängurus steht. Ich muss schmunzeln, als ein etwa zwölfjähriges Mädchen aufgeregt auf die Pfote eines Joeys zeigt, die aus dem Beutel seiner Mutter ragt. Dann beobachte ich entsetzt, wie der Vater sich anschleicht und an der Pfote zieht, um das Junge herauszuzerren. Die gestörte Kängurumutter springt auf und hüpft weg, und die ganze Familie bricht in lautes Gelächter aus. Angewidert starre ich sie an. Ich verabscheue solche Leute. Sie wollen gerade gehen, als sie mich erblicken.
»So was sollten Sie nicht tun«, sage ich, und das Lächeln verschwindet von ihren Gesichtern.
»Äh, Verzeihung.« Der Vater sieht einigermaßen zerknirscht aus. Wenigstens etwas.
»Kommt, wir schauen uns die Emus an«, sagt die Mutter, und die Familie sucht verlegen das Weite.
Ich seufze und halte Ausschau nach Ken. Als ich ihn gefunden habe und neben ihm im Schatten eines Baumes sitze, bessert sich meine Laune. Ich habe so ein Glück, diesen Job zu haben. Ich will ihn nicht
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