Immer wieder du: Roman (German Edition)
wünschte, ich wäre jetzt bei Nathan und Lucy.
Wo zum Teufel steckt Nicola?
Verärgert schaue ich auf und lasse den Blick wieder durch den Raum schweifen. Ich entferne mich ein paar Schritte von meinem Standort und suche die zweite Galerie oben nach langen blonden Haaren ab. Ich erhasche einen Blick auf einen entsprechenden Schopf, bin mir aber nicht sicher, ob es Nicola ist, und weiß nicht, ob ich hingehen und nachsehen soll. Ich zögere noch, als ein fetter Typ im Anzug mich über den Haufen rennt und wütend anstarrt, statt sich zu entschuldigen. Erzürnt stürme ich die Treppe hinauf. Ich kann Nicola nur raten, nicht da oben zu stehen. Denn wenn …
Sie ist es! Verdammt nochmal! Und sie spricht mit Pier Frank. Diese blöde Kuh! Ich bleibe wie angewurzelt stehen, dann sieht sie mich, und als Nicola mich zu sich winkt, ist sie so beschwingt, dass meine Verärgerung schon fast verflogen ist, als ich meine Kollegin erreiche.
»Tut mir leid«, flüstert sie mir eindringlich ins Ohr. »Er hat mich auf dem Weg vom Klo abgefangen. Ich dachte, du würdest mich suchen kommen!«
»Bin ich ja jetzt«, sage ich durch zusammengebissene Zähne.
»Darf ich dir Pier Frank vorstellen, Lily?«, sagt Nicola höflich, und ich setze ein Lächeln auf, als Pier auf mich aufmerksam wird.
»Hi«, sagt er ironisch und reicht mir die Hand. »Gefällt es Ihnen hier?«
»Ja, danke.«
»Sieht so aus, als hätte ich es wieder versaut.«
Einige um ihn herum lachen, aber ich weiß nicht, was daran lustig war. Unangenehm berührt trete ich von einem Fuß auf den anderen, aber er beachtet mich schon nicht mehr.
»Ich gehe nach Hause«, sage ich plötzlich.
»Was? Warum?« Nicola sieht mich entgeistert an.
»Ich habe heute Abend meinen Freund versetzt. Ich müsste eigentlich dort sein.«
»Aber wir haben ihn doch gerade erst kennengelernt!«, flüstert sie mir zu.
»Er ist ein Arschloch.«
»Psst! Er kann dich hören.«
»Das stört mich nicht besonders.«
»Er hatte nicht die Absicht, Menschen zu verletzen, er will nur, dass man seine Arbeit verstörend findet.«
Ich sehe sie schief an.
»Ich weiß, das hast du schon gesagt«, fährt sie verzweifelt fort. »Geh bitte noch nicht!«
Mir wird schwer ums Herz. »Okay.«
Also stehe ich da, wieder der Vollidiot, während Nicola und Piers Freunde dem Künstler an den Lippen hängen. Als mein Glas leer ist, entschuldige ich mich, um ein neues zu holen. Nachdem ich zehn Minuten warten muss, bis die Bedienung frische Gläser findet, kehre ich genervt zurück, und Nicola strahlt wie ein Honigkuchenpferd.
»Er hat mich gefragt, ob ich noch was mit ihm trinken gehen will.«
»Echt?« Ich versuche, ihr zuliebe aufgeregt zu wirken. »Nur ihr beide?«
»Nein, seine Kumpel sind auch dabei, aber trotzdem.« Sie ist begeistert. »Kommst du auch mit?«
»Nein, danke. Ich fahr besser nach Hause.«
»Na gut.«
Nicht dass mich überhaupt einer dabeihaben will. Ich trinke einen Schluck, stelle mein Glas auf einem Sims ab und folge den anderen nach draußen. Pier wird von der wiehernden Prostituierten angesprochen, daher verabschiede ich mich schnell.
»Bis morgen«, flüstert Nicola.
»Nicht ohne Kondom«, flüstere ich zurück, und sie bricht in lautes Gelächter aus. Das war nur Spaß! Ich hoffe, sie hält sich von dem Schwachkopf fern.
Als ich zum Anleger komme, sind keine Schnellboote da, und die Fähre scheint ewig zu brauchen. Beim Ablegen stehe ich draußen im Wind und schaue auf die Lichter der Stadt. Der Abend ist erstaunlich kühl – der Herbst steht definitiv vor der Tür –, aber selbst als es anfängt zu regnen, gehe ich nicht hinein. Ich frage mich, ob es zu spät ist, bei Nathan und Lucy vorbeizuschauen. Ob Richard schon zu Hause ist?
Ich hole mein Handy heraus und fluche still vor mich hin, als ich sehe, dass der Akku leer ist. Vom Strand in Manly ist es nur ein kurzer Fußweg bis zu Nathan und Lucy, daher werde ich es aufs Geratewohl versuchen.
Als ich die Fähre verlasse, regnet es stark, und ich krame in meiner Tasche in der Hoffnung, dass ich meinen Knirps dabeihabe. Glück gehabt! Schnell marschiere ich los, mache mir nicht die Mühe, Flipflops anzuziehen, denn es gibt nichts Schlimmeres, als bei Regen mit nassen Füßen auf Gummi herumzurutschen.
Bei Nathan und Lucy brennt noch Licht, als ich den Fußweg hinaufgehe. Sie wohnen in einem kleinen Häuschen, ähnlich dem unseren. Es ist aus grünlich grau gestrichenem Holz, davor ein weißer Lattenzaun. Ich klopfe
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