Immer wieder Samstag Reloaded
Steine vor mir her, während ich überlegte, wie sich doch mein Dasein in den letzten Wochen verändert hatte. Davor hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich mal bei dem beliebtesten und schönsten Jungen der Stadt, des Landes, der Erde, des Universums wohnen würde. Ich hätte nie geglaubt, dass er mich je lieben würde und niemals – nicht in einhundert Jahren –, wie wundervoll es ist, wenn man jemanden hat, der einen versteht. Einen Menschen, der einem an den Augen ablesen kann, was man gerade denkt und fühlt. Es war so schön mit Tristan Sexy.
Er hatte sich für mich eingesetzt, all meine Probleme beiseitegeschafft und für mich und mein Glück gekämpft. Mein strahlender Held mit dem knallroten Audi und den dreckigen Gedanken.
Wir hatten unsere Zukunft besprochen – ausgiebig. Wir hatten uns aufeinander abgestimmt, denn wir wussten, dass uns nichts mehr trennen konnte. Und wir wollten erst die Schule beenden und dann ein Studium in der nächsten Großstadt anfangen.
Tristan würde Sport studieren, ich Sozialpädagogik, denn mit Kunst konnte ich nicht wirklich Geld verdienen. Außerdem wollte ich etwas tun, was anderen Menschen half.
Mein Ziel war es, mit Kindern zu arbeiten, die von der Gesellschaft ebenso verstoßen wurden, vielleicht sich aber nur so fühlten wie ich einst, bevor die Familie Wrangler in mein Leben getreten war.
Oder ich in ihres – das war Ansichtssache.
Ich fragte mich, was mein Vater machte. Sicher war er noch immer stinkwütend. Bestimmt ließ er mich suchen, obwohl er im Grunde schon längst hätte wissen müssen, wo ich mich befand. Die Stadt war klein. Sollte es aber nicht der Fall sein, würde er spätestens, wenn er es erfuhr, mit seinen Kollegen hier einlaufen. Womöglich hatte er mich auch nur als vermisst gemeldet, aber selbst dann dürfte es nicht lang dauern, bis mich jemand aufspürte. Wenn er mich fand, würde ich auspacken: wie oft er mich geschlagen und psychisch misshandelt hatte. Erst Tristan hatte mir diesbezüglich die Augen geöffnet. Erst durch meinen persönlichen Sexgott realisierte ich, dass ich auch das Recht hatte, mich zu wehren, auch wenn es nicht einfach werden würde. Aber noch hoffte ich. Hoffte, dass mein Vater mich abgeschrieben hatte. Leider wurde dieser Teil von dem größeren überlagert, der keine Zweifel besaß, dass meine kleine Blase der Glückseligkeit bald zerplatzen würde, dank meines Erzeugers, der grundsätzlich niemals locker ließ. Nur, wie weit war er bereit zu gehen? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass Tristan bei mir war, zu mir stehen und mich in allem unterstützen sowie alles tun würde, damit mir keiner Schaden zufügte. Und sei es durch Harald Engel, der sich hoffentlich nicht an Tristan herantraute.
Ich war so sehr in Gedanken versunken, dass mich erst das merkwürdige Geräusch, was plötzlich hinter mir ertönte, aus meinen tiefsten Grübeleien schlagartig in die Bewusstseinsebene holte. Stanley kam im selben Moment bellend auf mich zugelaufen, als ich das Rascheln in den Büschen hörte. Schockiert drehte ich mich um und rechnete schon mit einem wilden Eber, der auf mich losgehen wollte. Aber das, was auf einmal fünf Schritte vor mir stand, war schlimmer als jedes wilde Tier.
Wenn man an den Teufel dachte ...
»Papa?«, keuchte ich ungläubig und blinzelte mehrfach, um mich zu vergewissern, dass er sich hier wirklich vor mir befand. Doch er war es: Mit einem abschätzigen Grinsen, leblosen Augen, einem blau-karierten Hemd und beigefarbenen Hosen lehnte er mit verschränkten Armen vor mir an einem Baum.
Mir wurde eiskalt, mein gesamter Körper spannte sich an – war auf eine potenzielle Flucht vorbereitet. Automatisch wich ich etwas zurück, ohne den Blick abzuwenden. Erst da fiel mir auf, dass er seinen Bart abrasiert hatte, was sehr ungewohnt aussah. »Was ist mit deinem Schnurrbart?«, fragte ich verwirrt und entfernte mich weiter von ihm, während ich Stanley hochhob und fest an mich drückte. Er knurrte unheilvoll, aber könnte mich im Notfall nicht beschützen.
»Frag doch deinen kleinen Mister Superheld!«, säuselte mein Vater ganz unschuldig.
»Was?«
»Ja, dein toller ... Freund, oder wie auch immer ihr jungen Schlampen das nennt, dachte, er könne mir eine Lektion erteilen. Er dachte, er wäre schlau, indem er mir die Augen verbindet, wie in einem billigen Mafiastreifen. Glaubte wohl, ich kenne nicht das dumme Gekichere von ihm und seinen asozialen Brüdern. Er dachte, er hätte mich
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