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Immer wieder Samstag Reloaded

Immer wieder Samstag Reloaded

Titel: Immer wieder Samstag Reloaded Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Both
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Mutter ist psychisch krank, okay?«
    »Okay.« Ich schluckte und bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick. Ihren abweisenden Tonfall kommentierte ich nicht, weil mir klar wurde, dass sie lediglich so reagierte, weil es ihr peinlich war. Die Situation zerrte an ihren Nerven und war schwer zu ertragen. Ich fragte mich, wie sie das schaffte!
    »Sie wird wahrscheinlich schlafen. Okay? In der Nacht säuft sie, geht auf Partys, rennt nackt durch die Gegend, treibt es mit Sechzehnjährigen ... und am Tag schiebt sie ihre Depressionen und schläft.«
    »Okay.« Sie öffnete bereits die Tür und ich folgte ihr ins Wohnzimmer, obwohl ich ernsthaft Bammel hatte, es zu betreten. Grausam beschrieb es nicht annähernd. Das war kein Ort, wo man leben oder sich gar wohlfühlen konnte. Ausdünstungen von Verwesung und Kotze drehten mir beinahe den Magen um.
    Der versiffte Teppichbelag war über und über mit vollen und halb vollen Tellern, Pappbechern, leeren Flaschen, Pillendosen und anderen Grausamkeiten bedeckt. Ein paar Kakerlaken krabbelten zwischen unseren Füßen und dem Dreck herum. Mit Sicherheit würde das restliche Essen bald selber Beine bekommen und das Weite suchen.
    Auch hier herrschte Ausnahmezustand in Form von übereinandergestellten Kartons und Möbeln, die drohten, jeden Moment umzukippen. Mia hielt sich das Shirt vor die Nase, genau wie ich, und schlüpfte mit mir durch das Chaos zum nächsten Fenster, welches sie aufriss. Doch der leichte Frischlufthauch war ganz ehrlich zwecklos.
    Der Raum war bis auf einen kleinen Lichtstrahl, der zwischen den dicken Vorhängen hervorlugte, abgedunkelt. In der Mitte befand sich ein riesiger, zerfledderter roter Sessel vor einem Fernseher, der flackernd die grausige Szene beleuchtete.
    »Mama?«, hörte ich Mia leise hinter dem abgewetzten Ungetüm, doch sie bekam keine Antwort. Seufzend wandte sie sich zu mir. »Sie schläft.«
    Vorsichtig umrundete ich die Sitzgelegenheit, während sie den Fernseher ausschaltete und eine Decke holte. Weiß der Geier, woher.
    Mein Blick heftete sich auf die Frau auf dem Polster. Sie wirkte krank… richtig krank – blass, mit tiefen Augenringen und sehr abgemagert.
    Ihre Wangenknochen hoben sich stark von ihrem fahlen, geradezu verbrauchten Gesicht ab; die hellbraunen Haare hatte sie in einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden. Ein dreckiges graues T-Shirt und eine schwarze Stoffhose bekleideten ihre dürre Gestalt. Sie schlief fast schon selig und Mia deckte sie fürsorglich zu. Aber ich musste mich abwenden, das war zu viel. Es schien mir wie eine andere Welt, so völlig anders als alles, was ich jemals zu wissen glaubte. Mein Mädchen seufzte wiederholt, bevor sie mich unsicher ansah.
    »Sie verweigert jegliche Therapie oder gar den Besuch in einer Klinik. Oft nimmt sie ihre Medikamente nicht«, erklärte sie schwach. Tränen schimmerten in ihren langen Wimpern, als sie ihre Mutter besorgt musterte. Es war, als würde sie mir ein Messer ins Herz rammen.
    »Du hast Angst um sie«, stellte ich dämlich fest. Natürlich hatte sie das. Welches Kind hätte da keine Angst?
    »Ich habe mich damit abgefunden, dass sie so ist, wie sie ist«, entgegnete sie kühl. Dann hielt sie mir fast schon unschlüssig ihre Hand hin. »Kommst du? Ich kann hier nie lange bleiben.« Ich ergriff sie natürlich sofort, zog Mia an mich und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, bevor ich ihr bedeutete, vorzugehen. Es war spürbar, dass sie jede Sekunde zusammenbrechen könnte. Daher war ich froh, dass wir diese Horrorkulisse verließen und in ihr Zimmer wechselten. Zuerst riss sie hier auch die Fenster auf, weil der Geruch uns regelrecht verfolgte.
    Aber es war sauber und aufgeräumt. Eine schwere Last fiel wohl von uns beiden ab, denn man konnte durchatmen, fühlte sich geradezu befreit.
    Zwar waren die Möbel – aus altem Buchenholz –, ebenso der Schrank, mit dem ich schon Bekanntschaft gemacht hatte, noch aus Kindertagen, doch die Stimmung schien eine andere zu sein. Fast schon friedlich. Man konnte sich frei bewegen; es war nicht so vollgestopft. Ein Schreibtisch, unter dem ein Körbchen stand, aus dem ein lächerliches Knurren erklang, und das mir vertraute Bett komplettierten die Einrichtung. »Stanley«, schimpfte Mia und schloss die knarzende Tür hinter uns. Ich entspannte mich noch mehr. Mich loslassend näherte sie sich dem kleinen Köter, der ihr schwanzwedelnd und seltsam arschwackelnd entgegensprang. Sie nahm ihn behutsam auf den Arm

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