Immer wieder samstags (Immer wieder ...) (German Edition)
mich permanent so fertiggemacht hatte. Es spiegelte seinen Hass auf sein altes Ich wider. Vielleicht würde er ihn jetzt loslassen und nach vorne blicken können.
Egal was man in der Kindheit durchmachen musste, man sollte irgendwann in der Lage sein, sich zu entwickeln und damit abzuschließen.
Keine Frage, es war schrecklich, was ihm passiert war. Noch schrecklicher war es jedoch, was seine Mutter getan hatte. Ja, er glaubte am Tod seiner Mutter schuld zu sein und an der Zerstörung der Familie. Aber im Enddefekt war dem nicht so. Ein Kind ist nie verantwortlich. Ein Kind ist immer ein Opfer der Ereignisse um sich herum. Ein Kind weiß nicht, wie es sich verhalten soll, was moralisch richtig oder falsch ist. Ein Kind kann sich nur so entwickeln, wie es ihm die Menschen in seiner Umgebung vorleben, egal ob es Eltern, Lehrer oder andere Kinder sind. Es wird geprägt durch seine Umwelt.
Erst wenn er das realisierte, konnte er wirklich frei sein. Frei von Schuld und Selbsthass. Dabei würde ich alles tun, um ihm zu helfen – meinem sensiblen, zutiefst gebrochenen Tristan.
21. Mein Mädchen
Tristan ´lickinggod´ Wrangler
N un war alles raus: meine gesamte katastrophale Kindheit. Nicht einmal Tom und Phil ahnten von den Geschehnissen an diesem einen speziellen Schultag. Lediglich mein Vater wusste es. Noch heute besaß ich deswegen bei ihm so etwas wie Narrenfreiheit. Allein aus Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen heraus würde er mir vermutlich alles durchgehen lassen.
Damals war David Wrangler selten zu Hause. Als Entwicklungshelfer unterstützte er aktiv die Armen, wofür er ständig in der Weltgeschichte umherreiste. Im Gegenzug oblag meiner Mutter allein die Erziehung drei kleiner, wilder Jungs. Monatelang gab es nur uns, bis Dad für ein paar Tage mal daheim war. In denen versuchten wir, sämtliche verpasste Zeit unterzubringen.
Einzig die Sorge um Geld blieb uns erspart. Beide Großelternteile hatten Fonds für meine Eltern und später für uns angelegt, sodass wir diesbezüglich wohl nie Probleme kriegen dürften. Dennoch fehlte die strenge Hand des Vaters. Keine Frage, wir liebten unsere Mutter ohne Vorbehalt, aber sie konnte sich selten gegen uns durchsetzen und war sehr nachgiebig, weshalb wir sie nicht ernst nahmen. Mit Tom und Phil gab es regelmäßig Schwierigkeiten, aber die hatten den Blödsinn auch mit Löffeln gefressen.
Sie hauten ordentlich auf den Putz, während ich seelenlos vor mich hinlebte.
Für eine so ziemlich alleinstehende Frau war das zu viel, zumal sie sich ihr Leben garantiert anders vorgestellt hatte. Nachdem sie sich entschloss, mit meinem Vater eine Familie zu gründen und wir Kinder endlich da waren, vereinnahmte der Job seine gesamte Zeit und sie blieb zurück. Auch wenn sie uns vergötterte, wie nur eine Mutter es konnte, es war nicht genug.
Daher quälten meinen Vater noch heute insgeheim Selbstvorwürfe. Jetzt war er derjenige, der sich mit uns rumschlagen musste, was ihn regelmäßig an den Rand der Verzweiflung brachte. Aus den damals fabrizierten Kleinjungenstreichen wurden ein paar richtig wüste Nummern, die in der einen oder anderen Anzeige endeten.
Ich für meinen Teil hatte die letzten Jahre schamlos ausgenutzt und alles nachgeholt, was meine Brüder in Punkto Ärger und schlechtem Verhalten an Vorsprung besaßen. Ich schlug Typen grundlos krankenhausreif, missbrauchte Frauen für meine eigene Befriedigung und behandelte sie wie Dreck. In all der Zeit ließ ich mir von niemandem etwas sagen oder gefallen, denn es gab immer eine Möglichkeit, sich Respekt zu verschaffen. Dafür nutzte ich meine eigene Methode, auch wenn ich dafür unwürdige und verachtenswerte Wege betrat.
Mein Vater war zwar ein gutes Vorbild, aber ich kam auf meine Art und Weise schneller ans Ziel. Das Ergebnis zählte. Hauptsache man wurde geachtet und nicht verachtet. Egal wie.
Einziges Problem: Mein Mädchen litt unter meinem Lebenswandel und wurde auch noch verletzt. Dem Scheißer sei Dank war sie stark, und ich hatte sie nicht endgültig zerstört.
***
Zuhause tastete ich erst einmal mithilfe meines Vaters ihre Nase ab, der uns telefonisch beriet. Er ging davon aus, dass es sich um mein derangiertes Riechorgan handelte, und auch wenn er kein Arzt war, so hatte er mit drei sich regelmäßig prügelnden Söhnen genug Erfahrung auf dem Gebiet.
Ihr Näschen war zum Glück heil geblieben, würde aber noch eine Zeit lang wehtun. Um sie von ihren mit Sicherheit immer noch heftigen
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