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Immorality Engine

Immorality Engine

Titel: Immorality Engine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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aber war sie offensichtlich
tot. Sie war in sich zusammengesunken, und der Kopf war zu einer Seite gekippt.
Die Augen waren offen, in ihnen spiegelten sich die Flammen. Die Lippen waren
zurückgezogen, als fletschte die Kopie noch im Tod die Zähne. Veronica
schauderte und näherte sich vorsichtig, wobei sie darauf achtete, den
murmelnden Schatten nicht den Rücken zuzuwenden.
    Sie bemühte sich, nicht das Gesicht der toten Kopie zu betrachten,
als sie die Handschellen öffnete. Die Haut fühlte sich eiskalt an. Sie hatte
keine Ahnung, wie lange das Wesen schon tot war, und sie besaß nicht Newburys
Begabung, so etwas genau zu ermitteln. Dennoch, die Tote sollte ihren Zwecken
genügen.
    Als sie die Lederriemen gelöst hatte, schob sie die Arme unter
Amelias Duplikat und hob es hoch. Die makabre
Last war leichter, als sie angenommen hatte. Das Gesicht hielt sie abgewandt,
und über den Geruch dachte sie lieber nicht weiter nach.
    Die Kreaturen – ein anderes Wort wollte sie nicht
benutzen – schlurften umher und heulten, als sie zusahen, wie Amelia mit
der Toten auf den Armen ein paar Schritte zurückwich. »Geht weg, verschwindet
hier«, rief sie. Die Antwort bestand nur aus ängstlichem Plappern und
Klagelauten.
    Als Veronica zur Tür strebte, musste sie einsehen, dass sie die Tote
nicht durch die schmale Öffnung tragen konnte. So ging sie in die Hocke und
legte den Körper ab, schob sich seitlich hindurch und kniete nieder, um die Leiche an den Füßen herauszuziehen.
    Nur Sekunden später rannte sie mit der Toten auf den Armen wieder
durch die brennenden Gänge. Der Kopf der Kopie wackelte bei jeder Bewegung hin
und her. Immer noch hagelten die Bomben auf das Gebäude herab und erschütterten
das, was noch stand, bis in die Fundamente.
    Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie gebraucht hatte, doch als sie
mit rauchenden Haarlocken und Ruß im Gesicht endlich in Amelias Zimmer
zurückkehrte, war von Newbury und ihrer Schwester nichts zu sehen.
Stirnrunzelnd tappte sie zu dem leeren Rollstuhl und ließ die Tote unsanft
hineingleiten. Dann setzte sie das Duplikat so gut aufrecht, wie es ihr möglich
war, und trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu betrachten.
    Wer sich die Zeit nahm, die Tote genau zu untersuchen, ließ sich
vermutlich nicht täuschen, aber wenn die Helfer sich in ein paar Tagen durch
die Trümmer wühlten, würden sie sowieso nur noch eine verkohlte Tote finden,
die ihrer Schwester bemerkenswert ähnlich sah und nur wenige Schritte neben dem
toten Dr. Fabian auf einem Rollstuhl saß.
    Das würde reichen. Es musste reichen.
    Das Bombardement ließ einen Augenblick nach, und auf einmal hörte
Veronica direkt vor der zerstörten Terrassentür eine Männerstimme. Vorsichtig
stieg sie über den toten Fabian hinweg und spähte in den Garten hinaus.
    Newbury stand auf der Terrasse und hielt Amelia in den Armen. Vor
ihnen thronte Enoch Graves auf einem schimmernden mechanischen Pferd. Er war
wie die anderen gekleidet und trug eine ordentliche Melone, dazu einen grauen
Anzug und einen Brustharnisch aus glänzendem
Stahl. In einer Hand hatte er eine Flagge mit dem roten Kreuz, dem Wahrzeichen des heiligen Georg, die an einem
goldenen Stab flatterte, als wollte er sich in aller Deutlichkeit zu seiner
Absicht bekennen, sein Heimatland auf den bewährten alten Weg zurückzuführen.
Mit der anderen Hand richtete er eine Gatlingkanone auf Newbury. Er sprach so
leise, dass Veronica ihn nicht verstehen konnte, auch wenn sie dem selbstgefälligen Tonfall und dem ironischen
Lächeln entnehmen konnte, dass er sich vor Newbury produzierte. Ihr war sofort
klar, dass er schießen würde, sobald er seine Ansprache beendet hatte.
    Newbury konnte nichts dagegen tun. Mit Amelia auf den Armen war
nicht daran zu denken, Graves anzugreifen, und wenn er sich hastig bewegte, musste er damit rechnen, sofort erschossen zu werden.
Auf diese kurze Distanz würde die Gatlingkanone ihn und Amelia in Stücke
reißen.
    Veronica zog sich ein wenig zurück und achtete darauf, dass die
Glasscherben nicht unter ihren Füßen knirschten und ihn auf sie aufmerksam
machten. Sie wurde wütend. Wie konnte er es nur wagen?
    Sie würde nicht zulassen, dass Graves jetzt alles ruinierte.
    Veronica zog den Rocksaum hoch und entblößte den bleichen Schenkel
unter dem Unterrock. Dort steckte in einer Lederscheide

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