Immorality Engine
Reittier die Zufahrt hinunter und lieÃen die
zerfallenden, rauchenden Trümmer des Grayling Institute und die ihres Anführers
beraubten Krieger der Bastion Society hinter sich zurück.
27
Drei Tage später
Veronica hatte genug von dem Regen.
Sie hatte genug von dem Vikar und
seiner unerbittlichen Predigt, sie hatte genug von Heimlichkeiten und Lügen.
Sie hatte auch genug von ihren Eltern, die sie seit der Ankunft in der Kirche
sehr herablassend behandelt und keinerlei echte Anteilnahme oder Trauer gezeigt
hatten. Für sie war gerade die jüngste Tochter gestorben, und alles, was sie
sich anmerken lieÃen, war Erleichterung. Veronica fand diesen Beweis ihrer
Hartherzigkeit entsetzlich. Sie waren, so kam es Veronica vor, nicht besser als
Fabian, Enoch Graves oder gar die Queen. Frustriert, wie sie war,
unterdrückte sie nicht einmal mehr die Tränen. Das Weinen befreite sie ein
wenig und half ihr, die Illusion zu wahren und der dürftigen Schar der
Trauergäste den Eindruck zu vermitteln, die Beerdigung sei nicht der Schwindel,
in den nur sie und Newbury eingeweiht waren.
Die letzten Tage waren sehr
anstrengend gewesen. Die Queen hatte Veronica in den Palast beordert und höchstpersönlich über den vermeintlichen
Tod ihrer Schwester unterrichtet. Die junge Agentin hatte sich gebührend
schockiert und bekümmert gezeigt und sich
gleichermaÃen fasziniert wie entsetzt die Erklärung der Queen für die
Ereignisse im Grayling Institute angehört. Dabei war sie dankbar für das Zwielicht gewesen, in dem die Queen
wie eine Raubspinne gehockt hatte, denn sie hatte die Monarchin kaum ansehen
können. So war es Veronica erspart geblieben, die höhnische Miene zu
betrachten, mit der Victoria sich darüber ausgelassen hatte, wie leid es ihr
angeblich tat, dass Veronica ein solcher Schicksalsschlag getroffen hatte.
Während der ganzen Audienz hatte Veronica den Gedanken nicht abschütteln können, dass die Herrscherin bald sterben
würde. Victorias Regentschaft neigte sich dem Ende zu, weil ihre
lebensverlängernden Maschinen ohne Fabians Wartungsarbeiten versagen
würden. Veronica war der Ansicht, dass die
Herrscherin es sich selbst zuzuschreiben hatte. Jawohl, es geschah ihr ganz
recht. Victoria hatte sich Veronicas Misstrauen, ihre Missachtung und
Verachtung redlich verdient. Sie hatte wesentlich zu Amelias Elend beigetragen,
und das würde Veronica ihr nie verzeihen. Sie hoffte nur, dass der Tod
die Frau sehr bald ereilen würde.
Veronica blickte zu Bainbridge, der am Rand des Grabes stand, im
Regen die Schultern eingezogen hatte und sich auf den Gehstock stützte. Um
seine Beine wallten Nebelschwaden. Einen Moment lang bedauerte sie die
Tatsache, dass sie ihm nicht erzählen konnte, was wirklich geschehen war. Gern
hätte sie ihm die Wahrheit über Amelia anvertraut, und es tat ihr leid, vor jemandem,
den sie schätzte, Geheimnisse zu haben. Auch das hatte letztlich mit der Queen
zu tun. Bainbridge würde es nicht verstehen, oder jedenfalls nicht, solange er
die Queen nicht so sah, wie sie wirklich war.
Der Polizeibeamte stand seit fast zwanzig Jahren im Dienst Ihrer
Majestät und hatte durch dick und dünn zu ihr gehalten. Ausgeschlossen, dass er
die Wahrheit mir nichts, dir nichts akzeptieren würde. Vor längerer Zeit war er
bereits mit den Machenschaften der Queen konfrontiert worden, als er die Wahrheit
über William Ashford herausgefunden hatte. Fabian hatte den ehemaligen Agenten
wiederhergestellt, damit er voller Qualen der Queen weiter dienen konnte. Dies
hatte Bainbridges Vertrauen zwar vorübergehend gedämpft, doch bald schon hatte
er sich eingeredet, die Queen habe gewiss nur zum Wohl des Landes gehandelt.
Vielleicht musste er sich etwas vormachen, wenn er nicht verrückt werden
wollte. Dies tat Veronicas Achtung für ihn allerdings keinen Abbruch.
Andererseits fiel es ihr auch selbst schwer, die ganze Angelegenheit zu verarbeiten. Inzwischen war sie zu der Ãberzeugung gelangt, dass die Queen
ausschlieÃlich im eigenen Interesse arbeitete und buchstäblich alles tat, um
ihre Herrschaft zu erhalten, während sie selbst, Newbury, Bainbridge und alle anderen
Agenten ausschlieÃlich dazu da waren, diesem Ziel zu dienen. Falls die Queen so
etwas wie ein übergreifendes Motiv hatte, dann spielte Altruismus sicher keine
groÃe Rolle dabei.
Veronica sah den sechs Trägern zu, die den Sarg
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