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Immorality Engine

Immorality Engine

Titel: Immorality Engine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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rechts
angerempelt und hielt sich unterdessen eisern an Newbury fest. Dann endlich
stießen sie ganz nach vorne durch und erblickten das bizarrste Schauspiel, das
sie je gesehen hatte.
    Zwei Männer in vollem Plattenharnisch saßen auf identischen
Streitrössern aus Messing und versuchten offenbar, sich gegenseitig totzuschlagen.
    Hölzerne Barrieren trennten eine große ovale Fläche ab und bildeten
eine Art Arena, um die sich die Menge versammelt hatte und das Schauspiel im
Innern verfolgte.
    Die beiden Männer, die offenbar mittelalterliche Ritter darstellen
sollten, kämpften voller Ingrimm gegeneinander und schlugen mit brennenden
Feuerschalen aufeinander ein, während die seltsamen mechanischen Pferde
bockten, auswichen und umeinander kreisten. Die Pferde waren eindeutig
Automaten. Die eisernen Skelette waren mit glänzenden Messingplatten verkleidet
und wurden von winzigen Dampfmaschinen angetrieben, die sich irgendwo in den
Körpern befanden. Der Dampf entwich zischend durch die Nüstern. Die
mechanischen Pferde waren größer als ihre natürlichen Vorbilder, die Augen
glühten dämonisch, und die Mähnen waren aus Metall modelliert. Als sie mit
ruckartigen, aber überraschend schnellen Bewegungen umeinander tänzelten,
konnte Veronica hin und wieder einen Blick auf ihr Innenleben erhaschen, wenn
sich die einander überlagernden Platten verschoben. Drinnen surrten Zahnräder
und trieben das verborgene Uhrwerk ihres künstlichen Nervensystems an.
    Die beiden Männer prügelten mit aller Kraft aufeinander ein.
Veronica zuckte zusammen, als einer von ihnen mit der Feuerschale die Brust des
anderen traf und der Stahlpanzer eine Delle bekam. Die heißen Kohlebrocken
flogen bis ins Publikum. Mit lautem Brüllen teilte sich die Menge, um den
heißen Geschossen zu entgehen, doch die Rufe klangen eher begeistert als
erbost.
    Veronica winkte Newbury, sich näher zu ihr zu beugen, und schrie ihm
fast ins Ohr: »Was tun die da?« Sie suchte seinen Blick und wartete auf seine
Antwort.
    Â»Sie kämpfen«, erwiderte er breit grinsend.
    Mit gespielter Empörung schlug sie
ihm die Hand auf die Brust. »Das ist mir klar. Aber warum?«
    Â»Ich habe keine Ahnung. Die Zuschauer sind jedenfalls begeistert.«
    Veronica sah sich in dem Meer der
Gesichter nach Charles um. Er war direkt hinter ihr und zuckte resigniert mit
den Schultern. Dann bemerkte er etwas und deutete auf eine hölzerne Tafel, die an einer der Barrieren lehnte.
Sie war weiß grundiert und trug eine sauber gemalte Aufschrift in roter Farbe.
Veronica versuchte, zwischen den Köpfen der Menschen, die vor ihr standen, den
Text zu erkennen, doch die Schaulustigen hielten keine Sekunde still. Endlich
konnte sie etwas wie Rittertum! Für England! erkennen.
    Veronica runzelte die Stirn. Der Feiertag des Heiligen Georg war
schon Monate vorbei. Sie fragte sich, was das alles zu bedeuten habe.
Vielleicht eine Demonstration einer Artusgesellschaft?
    Sie hatte nicht viel Zeit, sich zu wundern, denn Newbury, der des
Schauspiels offenbar schon wieder überdrüssig war, zog sie weiter in Richtung
Regent Street zum Schauplatz des nächtlichen Verbrechens.
    Die Regent Street war fast so belebt wie der Piccadilly Circus. Vor
den Schaufenstern, in denen von Geschenkkörben mit exotischen Lebensmitteln
über ölbetriebene Rasierapparate und antike Bücher bis hin zu importierten
Automaten Luxusgüter jeglicher Art ausgestellt waren, drängten sich die Käufer.
    Ein Geschäft bot sogar ein Wiedergänger-Abwehrmittel an, das offenbar reißenden Absatz fand. Veronica
lächelte über die Kunden, die mit ihren Talismanen und Stechpalmenzweigen
hoffnungsfroh den Laden verließen, weil sie die Seuche, die sich seit dem
vergangenen Jahr in den Elendsvierteln ausbreitete, immer noch mit
übernatürlichen Ursachen in Verbindung brachten. Die Menschen brauchten einen
Feind, irgendetwas Greifbares, vor dem sie sich verstecken konnten. Der Teufel
war ihnen lieber als die Pocken, denn den Teufel konnte man in Schach halten.
    Es lag nahe, die Menschen wegen ihrer Naivität zu verachten, doch
Veronica sah das nicht so. Sie taten nur das, was ihrer Ansicht nach ihre
Angehörigen vor dem Fluch der Wiedergänger schützte, und dies war gewiss besser,
als die Hände in den Schoß zu legen. Selbst wenn man nur einen Talisman an die
Tür hängte, hatte man etwas

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