Immorality Engine
unternommen, auch wenn es so gut wie keine Wirkung
zeitigte. Und wenn sie sich damit besser fühltenâ⦠das konnte Veronica ihnen
nun wirklich nicht vorwerfen.
Bainbridge deutete mit dem Gehstock auf einen Laden in der Nähe. Dem
Schild nach handelte es sich um den Juwelier Flitcroft and
Sons . Die Fenster waren mit Holzrollläden gesichert, die Tür war
verriegelt. Drinnen brannte kein Licht.
Veronica hatte natürlich schon von diesem Unternehmen gehört, aber
nie einen Grund gesehen, das Geschäft aufzusuchen, da die meisten dort
feilgebotenen Schmuckstücke ihre Möglichkeiten bei Weitem überstiegen. Ein
Geschäft wie dieses bediente die Lords und Ladys der Oberschicht. Zwar hätte
sie sich selbst nicht als arm bezeichnet â neben ihrem Gehalt von der
Krone erhielt sie einen bescheidenen Zuschuss von ihren Eltern â, doch sie
konnte es sich keineswegs erlauben, ihr Geld für unnötiges und teures Geschmeide
auszugeben.
»Das ist der Laden.« Bainbridge ging zur Tür und rüttelte am Griff.
Abgeschlossen.
Veronica beobachtete Newbury, der die Augen gegen die grelle Sonne
abschirmte und die StraÃe betrachtete. Seit ihrem Besuch in seinem Haus in
Chelsea war er ein wenig zu sich gekommen, wenngleich die dunklen Ringe unter
den Augen und die bleiche Haut in beredten Worten über seine angeschlagene
Gesundheit Auskunft gaben. Er war noch nicht wieder der Newbury, den sie
kennengelernt hatte. Nicht einmal jetzt, da ihn ein Fall beflügelte. Hier war
noch etwas anderes im Spiel, das sie noch nicht ergründet hatte.
Bainbridge kam zu ihnen. »Sind Sie bereit?«
Newbury sah seinen Freund verwirrt an. »Wollen wir denn nicht
hinein?«
»Wir gehen hinten herum. Ich will Ihnen zeigen, wie er eingestiegen
ist.«
Newbury nickte und folgte Bainbridge.
Die Rückseite des Geschäfts war
schmucklos und unauffällig wie alle anderen Gebäude in dieser
SeitenstraÃe. Allerdings schlenderten zwei gelangweilte uniformierte Bobbys
drauÃen herum und unterhielten sich angeregt. Einer rauchte eine Zigarette, die
er eilig wegwarf, sobald er Bainbridge bemerkte. Die Rauchschwaden, die
kringelnd aus den Nasenlöchern entwichen, konnte er freilich nicht verbergen.
Er nahm rasch Haltung an und machte eine betretene Miene. Sein Kamerad hatte
Mühe, sich ein hämisches Grinsen zu verkneifen.
»Wie unauffällig, Peters«, sagte Bainbridge, als er sich den beiden
näherte. Auch er musste sich ein Kichern verkneifen.
»Nein, Sir, leider überhaupt nicht unauffällig, Sir.« Der Mann war
am Boden zerstört.
Bainbridge beugte sich vor und
senkte die Stimme. »Ein kleiner Rat
für Sie, Peters. Wenn Sie das nächste Mal im Dienst heimlich rauchen wollen,
dann lassen Sie sich möglichst nicht erwischen.«
Der Beamte namens Peters war sehr erleichtert, dass Bainbridge
solche Nachsicht zeigte. Veronica glaubte schon, er werde die Hand des Chief
Inspector ergreifen. »Ja, Sir. Ein guter Rat, Sir. Ich werde es nicht
vergessen.«
»Das will ich doch hoffen, Wachtmeister.« Bainbridge klopfte dem
Mann herzhaft auf die Schulter und winkte den beiden mit dem Gehstock, ihm
Platz zu machen. Er deutete auf die Hintertür des Geschäfts, die über eine
kurze, abwärts führende Treppe und einen kleinen Hinterhof zu erreichen war.
»Da wären wir, Newbury. Sehen Sie es sich an. Vielleicht entdecken Sie etwas,
das uns bisher entgangen ist.«
Newbury nickte den Bobbys höflich zu, stieg die Treppe, immer zwei
Stufen auf einmal nehmend, zum Hof hinunter und kniete nieder, um die
Steinplatten auf dem Weg zur Tür zu untersuchen. Veronica folgte ihm in
gebührendem Abstand. Sie wollte verfolgen, was er tat, ohne seine Gedankengänge
zu stören.
Newbury zog ein kleines VergröÃerungsglas, es hatte höchstens die
AusmaÃe eines Pennys, aus der Jackentasche, klemmte es sich vor das rechte Auge
und hielt es mit Daumen und Zeigefinger fest. Für Veronica war das Auge
dahinter auf einmal riesengroÃ. Sie unterdrückte ein Lachen.
Bainbridge blieb neben ihr stehen und sah Newbury ebenfalls voller
Interesse zu. »Bemerkenswert«, erklärte er ohne die leiseste Ironie.
Veronica lächelte. Bainbridge gab
viel auf Traditionen und tat alles auf die gute, alte Art und Weise. Er
war ganz und gar nicht altmodisch, doch nach vielen Jahren im Polizeidienst
dachte er in eingefahrenen
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