Immortal 3 - Schwarze Glut
Christine sich so weit in ihrem Sitz nach hinten lehnte, wie sie konnte, war es ihr unmöglich, dem Zauber auszuweichen. Sie fühlte, wie er sie traf. Zuerst spürte sie bloß eine merkwürdige Taubheit. Da war kein Schmerz, keine Müdigkeit, kein Schock. Dann hob ein leises Surren in ihren Ohren an, und ihre Sinne schärften sich. Sie nahm alles besonders stark wahr: die Vibrationen des Wagens, die Kratzer im Sitzpolster, an dem sie sich festklammerte, das leise, bedrohliche Grollen von Leannas Lachen. Sogar das entfernte Meeresrauschen hörte sie übertrieben laut, als der Rover die Küstenstraße entlangbrauste. Es war beängstigend. Kalter Schweiß brach ihr auf der Stirn aus, und ihr Atem wurde fl acher.
Sie versuchte etwas zu sagen, stellte jedoch fest, dass sie keinen Ton herausbrachte. Als sie ihre Arme heben wollte, waren ihre Hände zentnerschwer. Panik schnürte ihr die Kehle zu. Ohne ihre Hände und ihre Stimme konnte sie ihre Magie nicht nutzen.
Leanna brach in höhnisches Gelächter aus. »Jetzt siehst du mal, wie sich das anfühlt, Süße! Ein Fesselzauber, nur dass diesmal du die Betroffene bist.«
Sie blieben noch eine Weile auf der Straße, ehe Leanna abbog und ein gutes Stück querfeldein raste. Schließlich erkannte Christine Leannas bulligen Halb-Oger, der zwischen zwei hohen bemoosten Felsbrocken stand. Noch bevor der Rover richtig zum Stehen gekommen war, hatte er die Beifahrertür aufgerissen.
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Er trug eine schwere Decke über einem Arm, die so entsetzlich stank, dass Christine schlecht wurde, als er sie ihr über den Kopf warf. Es handelte sich um eine Bleischürze, wie sie beim Röntgen benutzt wurde. Das Gewicht drückte Christine herunter, und das Blei brannte sich durch ihre Haut bis in die Muskeln und Knochen. Jede Faser ihres Körpers schrie vor Schmerz, und das bisschen Magie, an das sie sich noch geklammert hatte, wurde geradewegs aus ihr herausgesogen. Leanna lachte.
Leannas Suite im Palace war dunkel und verlassen. Kalen fl uchte. Er war schon früh in Inverness angekommen, mit Unis Kristallspeer bewehrt, und hatte gehofft, die Sache schnell zu beenden. In der Stadt herrschte Panik, denn knapp eine Stunde vorher hatte es mehrere Explosionen gegeben, von denen einige menschengemacht, andere magischen Ursprungs gewesen waren. Die Wasser-, Strom-und Telefonleitungen waren zusammengebrochen, und Zombies sowie andere, minderwertigere Dämonen zogen auf der Suche nach Opfern durch die Straßen. Wenn die Sonne erst untergegangen war, würden sich gewiss noch Vampire zu ihnen gesellen. Die Menschen und lebensmagischen Kreaturen, die es nicht geschafft hatte, rechtzeitig zu fl iehen, waren tot oder todgeweiht. Leannas Dämonenfürstin musste hier die Hand im Spiel gehabt haben.
Eine kurze Durchsuchung der Suite ergab einen schwachen Todesgeruch in Leannas Ankleidezimmer, aber keinen Hinweis auf aktive todesmagische Zauber. Kalen lehnte Unis Kristallspeer an die Wand und ließ sich in eine Ecke des schwarzweiß gestreiften Ledersofas fallen. In einer Stunde ging die Sonne unter, aber vorher wäre Mac hier.
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Fünfzehn Sekunden später war Kalen wieder auf den Beinen, den Speer in der Hand, und lief im Zimmer auf und ab wie ein Panther in seinem Käfi g. Mürrisch starrte er auf das tote Telefon. Warten war die Hölle! War das Treffen nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, um ihn aus dem Weg zu haben?
Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Leanna wollte geradezu verzweifelt ein Kind von ihm. Zum ersten Mal dachte er genauer nach, welches wohl der Grund dafür sein mochte. Ihre Erklärung, dass sie das Kind Niniane schenken wollte, war ganz gewiss eine Lüge. Ihr wahres Motiv, dessen war er sich sicher, hatte etwas mit Todesmagie zu tun. Ein Baby mit einer unsterblichen Seele. Könnte es sein, dass Leanna wusste, wie sie diese Seele auf sich selbst übertragen konnte?
Allein die Vorstellung war entsetzlich. Seelenraub, noch dazu von einem unschuldigen Kind, bedeutete, dass das Baby als leere Hülle sterben würde.
Mit jeder Sekunde wurde Kalens Wut größer und er unruhiger. Ob Leanna überhaupt noch auftauchte? Oder musste er nach ihr suchen?
Nein, sie würde kommen, denn sie wollte ja ein Kind von ihm. Sie wollte eine unsterbliche Seele. Und um sie zu bekommen, führte kein Weg an ihm vorbei. Er stellte sich ans Fenster, so dass er auch die Tür im Blick hatte, und wartete. Leannas Halbblut-Lakai warf sich Christine wie einen Sack Hundefutter über die Schulter. Die Decke
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