Immortal. Dunkle Leidenschaft
kam er auf Adrian zu. Der Dämon stand stumm mit seinem blutverschmierten Schwert da. Auf einmal wurde Adrian klar, dass hier irgendetwas schrecklich, ganz schrecklich schieflief, aber er konnte trotzdem nichts gegen das Glück und die Erleichterung unternehmen, die er angesichts des Wiedersehens empfand.
Tain sah Adrian eine ganze Weile mit seinen blauen Augen an, musterte sein ermüdetes Gesicht und den Körper, den der Dämon bis auf die Knochen zerschnitten hatte. Dann wanderte sein Blick hinauf zu den Ringen und Ketten, mit denen Adrian an die Wand gefesselt war, und hob langsam eine Hand an Adrians Kinn.
»Du bist tatsächlich hier«, sagte er.
»Wie ich leibe und lebe!«, erwiderte Adrian übermütig. »So hatte ich mir unser Wiedersehen zwar nicht vorgestellt, aber es ist allemal besser als nichts.«
Tain neigte den Kopf zur Seite und strich mit den Fingern über Adrians Gesicht. »Wie hast du es dir denn vorgestellt?«
»Ich weiß nicht – mit Champagner vielleicht oder mit Bier. Schöne Frauen, eine für jeden von uns. Ein Fest, das niemand je vergisst.«
Tain schüttelte traurig den Kopf. »Nein, Adrian, ich kenne dich zu gut. Ich weiß, was du dachtest. Du stelltest dir vor, dass du mich rettest, dass ich derjenige in Ketten wäre und du mich befreien würdest. Ich würde dir schluchzend zu Füßen fallen, auf ewig dankbar, weil du mir zu Hilfe kamst. Und alle wären überglücklich, dass Adrian endlich seinen Bruder gefunden hat.«
Adrian lachte. »Spielt das denn eine Rolle? Ich rette dich, du rettest mich, ist doch egal! Was zählt, ist, dass wir uns gefunden haben!«
Plötzlich holte Tain aus und schlug Adrian die Peitsche quer übers Gesicht. Adrians Magie regte sich in seinem Innern, ein Zornesfeuer, das jederzeit bereit war, sich mit voller Wucht gegen den Dämon zu richten. Der nämlich musste für Tains Verhalten verantwortlich sein, sein Denken beeinflussen und hinter dem Wahnsinn stecken, der in Tains Augen flackerte.
Tain legte Adrian seine Hand um den Hals. »Hör auf!«
»Lass mich ihn töten!«, flüsterte Adrian, der seine Magie noch im Zaum hielt. »Ich töte ihn und wir verschwinden zusammen von hier.«
»Nein.«
Der Dämon stellte sich neben Tain. »Ich bin dir gegenüber im Vorteil, Unsterblicher«, sagte er zu Adrian.
Und dann verwandelte er sich nahtlos in die verführerische Frau mit dem schwarzen Seidenhaar und den großen sinnlichen Augen, die Adrian erst in seinem Traum und später in Septimus’ Club gesehen hatte. Sie hatte ein schwarzes Satinkleid an, das jede ihre Kurven betonte, und ihre festen Brustknospen, die sich durch den Stoff abdrückten, verrieten, dass sie nichts darunter trug.
Tains Griff an Adrians Hals lockerte sich, als die Frau sich auf Zehenspitzen stellte und Tain auf den Mund küsste. Er umfasste sie mit einem Arm, zog sie an sich und vertiefte den Kuss.
»Tain, sie ist eine Dämonin«, sagte Adrian angeekelt, »eine Ewige! Wir töten Todesmagie-Wesen, schon vergessen? Allein zu diesem Zweck wurden wir erschaffen, es ist unsere Raison d’être!«
Tain löste sich aus dem Kuss und sah Adrian voller Kummer an. »Du wirst es verstehen, wart’s ab.«
»Ich will es aber jetzt verstehen!«
Tain drückte einen Finger auf Adrians Lippen. »Noch nicht, mein Bruder, noch nicht.«
Adrian verkniff sich eine bissige Antwort. Angestrengt mühte er sich, die Situation einzuschätzen. Tain war wahnsinnig, von dem Dämon in den Wahn getrieben – wie immer er das angestellt haben mochte. Auf jeden Fall war Tain in der Eishöhle eingesperrt gewesen, denn dort hatte Adrian überall seine Aura gefühlt. Aber jetzt war er frei, und warum er den Dämon nicht einfach abwehrte oder versuchte, seine Brüder zu finden, damit sie ihm halfen, begriff Adrian einfach nicht.
»Und wann dann?«, fragte er bemüht ruhig.
»Wenn deine schöne Lady hier ist«, antwortete Tain. »Wenn sie kommt, um dich zu retten, werde ich dir alles erzählen. Versprochen!«
Eisige Kälte, weit kälter noch als die arktischen Eisschollen, erfüllte Adrian. »Sie wird nicht kommen.«
»Sie wird.« Tain streichelte das wunderschöne Gesicht der Dämonin. »Sie wird zu dir kommen, und wenn sie hier ist, werden wir sie vor deinen Augen langsam zu Tode foltern. Ist sie erst einmal tot, wirst du alles verstehen.« Er sah wieder zu Adrian. »Dann wirst du meinen Wunsch verstehen, zu sterben, denn du wirst dir dasselbe wünschen.«
Sich wünschen zu sterben? Was zur Hölle sollte
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