Immortal. Dunkle Leidenschaft
Er hatte Angst um dich.« Wieder strich er über ihre Lippe. »Wozu er auch allen Grund hat.«
Sie erschauderte und erinnerte sich wieder an das, was sie in Alaska erstmals gedacht hatte, nämlich dass Tain noch weit gefährlicher war als der Dämon. Jetzt, da sie in seine Augen sah, bestätigte sich ihre Furcht. Tain war stark wie Adrian, nur leider irgendwann während der letzten siebenhundert Jahre komplett wahnsinnig geworden.
Was seine Worte noch unterstrichen: »Ich wünschte, ich könnte dich schnell und sauber sterben lassen – schmerzlos. Aber es muss ein grauenvoller Tod sein, denn Adrian soll die Trauer niemals überwinden.« Seine blutverschmierten Finger tauchten in ihr Haar. »Falls es dir hilft: Dein Schmerz wird meinen und den aller beenden, die auf dieser Welt leiden.«
Immer noch hielt Amber sich mit aller Kraft aufrecht. Schlimmer als ein Wahnsinniger war ein vermeintlich uneigennütziger Wahnsinniger, der sich einredete, Folter und Mord seien ein Dienst an der Menschheit.
»Geht es Adrian gut?«, fragte sie, wobei sie sich anstrengte, ihre Stimme fest und normal klingen zu lassen.
Tain sah noch trauriger aus. »Er leidet. Er fängt an zu verstehen.«
Ambers Herz verkrampfte sich vor Angst. »Und er ist da oben, nicht wahr?«
»Ja.«
Tain hielt sie nicht auf, als sie sich an ihm vorbeidrängte und die Treppe hinaufeilte. Sie spürte, dass er sie genau beobachtete, aber erst als sie oben ankam und ins Turmzimmer ging, hörte sie, dass er ihr folgte.
Das Turmzimmer hatte ihre Mutter gestaltet. Einen Sommer – Amber war noch ein Teenager gewesen – hatte sie stundenlang geholfen, die alten Tapeten abzuziehen und neue zu verkleben. Sie hatten das Zimmer zu einem gemütlichen kleinen Rückzugsort gemacht, wo Amber und Susan unter dem Fenster sitzen und lesen konnten, während ihre Mutter an der Nähmaschine saß.
Nach dem Tod ihrer Mutter hatten sie die Nähmaschine weggeräumt und ein Sofa hineingestellt. Kurz vor Susans Tod hatten sie dann überlegt, das Zimmer umzugestalten, und hatten alle Möbel bis auf den alten Küchentisch herausgeräumt. Er war immer noch da, war allerdings blutbespritzt.
Adrian stand an der Wand hinter dem Tisch, die Arme über dem Kopf und mit dicken Ketten gefesselt. Er war nackt und sein wunderschöner Körper mit Blut bedeckt. Von oben bis unten war er so zerschunden, dass kein Flecken unberührter Haut zu entdecken war. Sein Kopf lehnte an der Wand, die Augen geschlossen, doch kaum hörte er ihre Schritte, schrak er hoch. Er war bei vollem Bewusstsein.
»Amber! Mach, dass du hier rauskommst!«
»Ich freue mich auch, dich zu sehen«, erwiderte sie in einem lässigen Plauderton. »Wo ist der Dämon?«
Adrian sah sie wütend an, und seinem Blick nach zu urteilen hielt er seine Macht mit aller Kraft zurück. »Hier nicht. Ich will, dass du verschwindest, bevor er wiederkommt!«
Sie ging zu ihm und berührte die Ketten über seinem Kopf. Es gab einen Zauber, der Fesseln schwächte, aber sie hatte ihn noch nie ausgeführt. Außerdem brauchte sie Zeit und Ruhe, um ihn zu meistern, und im Moment hatte sie weder das eine noch das andere. »Gern, wenn du mit mir kommst. Du könntest diese Ketten brechen.«
»Es gibt einen Grund, weshalb ich es nicht tue.«
Plötzlich fuhr ein gigantischer Funken durch die Ketten, ein mächtiger Zauber, dessen Energie durch Ambers Körper zuckte und sie zu Boden warf. In der Tür stand Tain, der die Hand wieder herunternahm.
»Ich brauche euch beide hier«, sagte er.
Amber blieb auf dem Boden sitzen und zog die Knie an die Brust. »Draußen warten Freunde auf mich. Sie können dich zu Adrians Haus bringen, wo du in Sicherheit bist. Der Dämon kann dort nicht hinein.«
»Das habe ich auch schon versucht«, sagte Adrian zu ihr.
Amber drückte sich näher an ihn. Seine muskulöse Wade und das feste Knie zu fühlen, ebenso wie seinen Duft einzuatmen gaben ihr Trost. Er war immer noch stark, selbst in Ketten und geschunden, und immer noch die fleischgewordene Vollkommenheit schlechthin.
»Warum sind Tains Hände verbunden?«, flüsterte sie Adrian zu. »Was ist passiert?«
»Der Dämon häutet ihn alle drei Tage bei vollem Bewusstsein«, erklärte er ruhig. »Das macht er seit siebenhundert Jahren.«
So gefasst seine Stimme auch klang, entging Amber keineswegs der blanke Horror, den ihm dieser Gedanke bereitete. Nicht minder entsetzt und unglücklich sah sie Tain an.
»Er will, dass wir ihm helfen«, fuhr Adrian fort. »Alle
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