Immortal. Dunkle Leidenschaft
nicht!«, sagte er trocken.
»Und was jetzt?«, fragte Detective Simon. »Wenn diese Todesmagie stark genug ist, um einen Vampir abzuwehren, einen ewigen Vampir noch dazu, wie sollen wir dann jemals hineinkommen?«
»Ihr gar nicht«, antwortete Amber, stieg langsam die Stufen hinauf, nahm die feuchten Zeitungen und legte sie ordentlich auf den Verandatisch.
Beiläufig nahm sie den Kratzer wahr, den Susan und sie in die Verandadielen gemacht hatten, als sie im letzten Jahr ein neues Sofa hineingeschleppt hatten. Längst wollten sie die Stelle geschliffen und neu versiegelt haben, aber sie waren einfach nie dazu gekommen.
Nun stand sie vor der Tür, die ihre Vorfahren 1880 eigens aus New York kommen ließen. Inzwischen war sie unzählige Male neu lackiert worden, aber immer noch ausgesprochen solide.
Meine Tür, mein Haus . Der Dämon konnte es mit Todesmagie überziehen, doch der Schutzzauber, der es umhüllte, wohnte auch Amber inne. Sie trug etwas von den Zauberern und Hexen in sich, die das hier geschaffen hatten. Über diese Verbindung hatte sie noch nie nachgedacht, und dennoch fühlte sie sie jetzt ganz deutlich.
Sie streckte die Hand aus, drehte den Knauf und schob die Tür auf. Mit einem Zischlaut teilte sich die Todesmagie und ließ sie ein.
»Amber!«, hörte sie Sabina noch ausrufen, dann schlug die Tür hinter ihr zu.
Drinnen war alles vollkommen still. Selbst wenn sie keine Hexe wäre, wenn sie die Todesmagie nicht gesehen hätte, würde sie fühlen, dass etwas nicht stimmte. Die Möbel im Wohnzimmer waren staubbedeckt, denn weder Susan noch sie wischten gern Staub und zögerten es stets so lange wie möglich hinaus. Der übliche Geruch von getrockneten Blumen und Kräutern lag in der Luft. In der Küche standen noch die schmutzigen Tee- und Kaffeetassen, aus denen sie getrunken hatten, als sie Adrian von ihrem Kummer erzählte und zugleich verstohlen seinen durchtrainierten Körper gemustert hatte.
Sie ging in den Flur und begann, die Treppe hinaufzusteigen. Ein dumpfes Licht drang aus dem Turmzimmer, hell genug immerhin, um bis zum unteren Treppenende zu leuchten. Auf dem Treppenabsatz im ersten Stock war alles voller Schutt und Putzbrocken von dem tornadoartigen Sturm, den der Dämon in jener Nacht durchs Haus gejagt hatte, als sie mit Adrian geflohen war. Jetzt aber kam ihr kein Dämon auf der Treppe entgegen, und aus den oberen Zimmern war kein Laut zu vernehmen.
Im Schatten des Treppenabsatzes kniete Amber sich hin und holte Ferrin aus der Innentasche ihrer Jacke. Regungslos lag die Schlange auf dem Flurläufer und betrachtete Amber mit ihren glitzernden Augen. Diese holte leise ihre kleinen Beutel mit den Kristallen hervor, wickelte sie Ferrin um und zog die Schnüre fest, damit die Schlange sie nicht verlor. Als sie fertig war, senkte Ferrin den Kopf und glitt lautlos davon.
Amber stand wieder auf und stieg die nächste Treppe hinauf. Eine Stufe knarrte – ein ohrenbetäubender Lärm in dieser Stille –, aber niemand kam, um nachzusehen. Amber verlangsamte ihre Atmung, versuchte, sich zu beruhigen und auf ihre Mitte zu konzentrieren, um sich für die Magie bereitzumachen.
Auf dem nächsten Absatz begann ihr Herz, wie verrückt zu pochen, als ein Mann aus dem Turmzimmer trat und langsam zu ihr hinunterkam. Die Umrisse ähnelten Adrians – groß, breitschultrig und mit schmalen Hüften –, aber im Licht von oben leuchtete sein Haar rot. Sie wusste sofort, dass es Tain sein musste.
Mit der Hand am Geländer blieb sie stehen und wartete. Er näherte sich langsam, hatte es überhaupt nicht eilig, als wäre er sicher, dass sie nicht weglief. Amber spürte seine starke Lebensmagie, die jedoch befleckt und fremd war. Ihre Finger verkrampften sich am Geländer.
Unten auf dem Treppenabsatz blieb er vor ihr stehen. Er hatte blaue Augen, tief und schwermütig, und Amber fragte sich, welche Eigenschaft der Göttin ihm innewohnte und wer sein Vater sein mochte. Er hatte ein eher viereckiges, schönes Gesicht. Auf seine Wange war ein kleines Pentagramm tätowiert. Vor allem aber waren seine Züge von einer unendlich tiefen Traurigkeit geprägt.
Er hob eine Hand, die bis zu den Fingerspitzen verbunden war, und berührte sachte ihr Gesicht. »Du bist schön«, hauchte er. »Ich wusste, dass du schön sein würdest.«
Seine Finger wanderten über ihre Unterlippe, und Amber musste sich alle Mühe geben, nicht zurückzuweichen. »Tain?«, fragte sie leise.
»Adrian wollte nicht, dass du kommst.
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