Immortal Guardians: Dunkler Zorn (German Edition)
Luft.
»Ich wusste, dass mein Stiefvater mich auch ermorden würde. Der kleinste Anlass genügte ihm, um mich so zu verdreschen, dass ich tagelang nicht aufstehen konnte. Besonders verabscheute er das, was er als meine Tollheit bezeichnete, die in seinen Augen eine Schwäche war.«
»Du sprichst von deiner Begabung?«
»Ja.«
»Hast du … hast du heute Nacht bei Roland und Sarah zu Hause auch etwas gesehen?«, fragte sie.
Überrascht, dass sie es bemerkt hatte, warf er ihr einen Blick über die Schulter zu. »Das habe ich. Bastiens Schwester.«
Sie hob die Augenbrauen. »Sebastien Newcombes Schwester?«
»Ja. Na ja, oder besser gesagt, ihr Gespenst oder ihren Geist oder wie immer man das nennen will. Sie begleitet Sarah und Roland, seit Bastien Sarah um ein Haar getötet hätte, woraufhin Roland aus Rache wiederum fast Bastien umgebracht hätte. Ich habe sie schon mehrere Male bei Roland zu Hause gesehen, habe den beiden aber nichts davon gesagt, weil es die Leute meistens ziemlich erschreckt zu wissen, dass sie von jemandem beobachtet werden, den sie selbst nicht sehen können.«
Sie dachte einen Moment lang über seine Worte nach. »Ist sie ihnen feindselig gesinnt?«
»Nein. Ich glaube sie ist nur neugierig. Vielleicht ist sie auch dankbar, weil Roland dafür gesorgt hat, dass ihr Mörder seine gerechte Strafe erhält und nicht ihren Bruder getötet hat.«
Ihre Augenbrauen zogen sich zu einem dunklen Strich zusammen. »Ich dachte immer, dass Geister bestimmte Ort heimsuchen und nicht einzelne Personen.«
»Das glauben die meisten. Ich allerdings habe die Erfahrung gemacht, dass Geister alles Mögliche heimsuchen können: Orte, Personen und Besitztümer. Möbel. Kleidung. Spielzeug. Schmuck. Und bei unbelebten Objekten muss es sich nicht notwendigerweise um Antiquitäten handeln.«
Ami ließ unbehaglich den Blick durch das Zimmer schweifen. »Sind hier im Zimmer ebenfalls Geister?«
»Nein. Die Leute vom Netzwerk sind sich über die besonderen Probleme im Klaren, die meine Gabe mit sich bringt, und haben sich sehr entgegenkommend verhalten. Als ich hergezogen bin, haben sie mir verschiedene mögliche Baugrundstücke angeboten und mir gestattet, sie gründlich abzusuchen. Das hier war das einzige Grundstück, das nicht von Geistern heimgesucht wurde. In North Carolina ist eine Menge Blut vergossen worden.
Die Bauarbeiter, die am Hausbau beteiligt waren, habe ich persönlich ausgesucht, um sicherzustellen, dass sich auf diese Weise keine blinden Passagiere einschleichen. Und statt Roland, Sarah oder andere Unsterbliche, die womöglich einen unsichtbaren Begleiter haben, hierher einzuladen, verabrede ich mich mit ihnen bei David. Tatsächlich war das eins der Dinge, die mir Sorgen bereitet haben, als Seth dich zu meiner Sekundantin gemacht hat. Man weiß nie, was ein neuer Gast einem ins Haus bringt.«
»Ich habe fast Angst, danach zu fragen«, sagte sie.
Er lächelte. »Keine Sorge.« Er schüttete Spaghetti in das kochende Wasser, rührte in der Soße, die daneben auf dem Herd stand, und wandte sich wieder dem Salat zu. »Dein pelziger kleiner Freund hat mittlerweile beide Pfötchen in die Schale gesteckt und stopft sich weiter mit Vogelfutter voll.«
Sie stand auf, trat neben ihn an das Fenster und lachte.
Marcus warf die Gemüsereste in den Abfalleimer. »Der Salat ist fertig. Warum setzen wir uns nicht ins Wohnzimmer, bis die Spaghetti gar sind?«
»Okay.«
Marcus stellte im Vorübergehen den Salat auf den Esstisch, folgte Ami zum Sofa und setzte sich neben sie. Er drehte sich in ihre Richtung, wobei er den Arm auf die Sofalehne legte und das Knie anzog, um eine bequemere Haltung einnehmen zu können.
Ami tat es ihm nach. »Hat niemand dafür gesorgt, dass dein Stiefvater für den Mord an deiner Mutter bestraft wird?«
»Es war ein Unfall«, sagte er, wobei er den barschen Tonfall seines Stiefvaters imitierte. »Sie ist im Dunkeln gestolpert und die Treppe hinuntergefallen, als sie sich aus dem Haus schleichen wollte, um ihren Liebhaber zu treffen.«
Ami rutschte näher an ihn heran und legte ihre Hand auf seine, die auf der Rückenlehne ruhte. »Hat er versucht, dich ebenfalls umzubringen?«, wollte sie wissen.
»Ich bin abgehauen, ehe er Gelegenheit dazu hatte. Ich wusste, dass mein Stiefvater in Wirklichkeit ein feiger Mann war, der sich nur mit Menschen anlegte, die er leicht besiegen konnte. Also habe ich einen der tapfersten Männer Englands aufgesucht und bin sein Knappe
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