Immortal Guardians: Dunkler Zorn (German Edition)
»Ja.«
»Was ist das?«, wollte sie wissen.
»Ein Opossum«, erwiderte er.
»Opossum«, wiederholte sie, offensichtlich fasziniert.
Marcus lächelte. Wie er selbst hatte sie ein weiches Herz, was Tiere anbelangte. »Manche Leute lassen das O weg und nennen sie nur Possum. Es gibt eine Redewendung, die auf ihre Strategie anspielt, sich tot zu stellen, wenn sie angegriffen werden.«
Sie blickte zu ihm auf. »Davon habe ich noch nie gehört. Warum tun sie das?«
»Wenn ein Opossum große Angst hat, dann wirft es sich mit offenem Mund und Maul auf die Seite und sondert einen abstoßenden Geruch ab, der Raubtiere, die frisches Fleisch bevorzugen, davon abhält, sie zu fressen. Durch den Geruch glauben sie, dass das Opossum bereits seit mehreren Tagen tot ist.«
Sie musterte das junge Beuteltier mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Was für eine merkwürdige Taktik.«
Das Opossum, das ihre Stimme hörte, sah zum Fenster auf, wobei Krümel in dem weißen Fell rund um sein Maul hängen blieben. Dann futterte es ungerührt weiter.
»Es sieht irgendwie unheimlich aus«, sagte Ami, die immer noch die Augenbrauen runzelte. »Die Pfoten sehen aus wie Hände, und der Schwanz hat Ähnlichkeit mit dem einer Ratte.«
Marcus nickte. »Das Opossum erinnert mich immer ein bisschen an das Schnabeltier. Beide sehen aus wie eine Mischung aus verschiedenen Tierarten.«
»Was ist ein Schnabeltier?«
Marcus stützte sich am Waschbecken ab, er hielt immer noch Amis Hand und betrachtete sie nachdenklich. »Das ist ein Säugetier, das in Australien beheimatet ist und in der Nähe von Flüssen und Seen lebt.«
Müsste sie so etwas nicht selbst wissen? Das Schnabeltier gehörte zu der Gruppe von Tieren wie Kängurus, Koalabären, Elefanten und Giraffen, die normalerweise das Interesse jedes Kindes erregten. Es kam ihm seltsam vor, dass sie es nicht kannte oder wenigstens davon gehört hatte.
In Anbetracht der Tatsache, dass es Millionen von Dingen zu geben schien, die eigentlich jeder außer ihr kannte, konnte er nicht umhin, sich erneut zu fragen, wo Ami eigentlich herkam.
»Wo wurdest du geboren, Ami?«, fragte er.
Sie wandte sich vom Fenster ab und sah ihn an.
Die Angst, die jetzt in ihren Augen aufglomm, hatte er nicht mehr seit jener Nacht gesehen, als er sie zu den Ärzten des Netzwerks hatte bringen wollen. Es erschreckte ihn, sie jetzt wieder in ihren Augen zu sehen und zu wissen, dass er sie verursacht hatte.
Sie biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab.
»Warum willst du nie über deine Vergangenheit sprechen?«, fragte er sanft und strich mit der Unterseite seines Daumens über ihren Handrücken.
»Du sprichst ja auch nie über deine«, entgegnete sie zögernd.
Er lachte bitter. »Ja, na ja, mein Leben ist ja auch so etwas wie ein offenes Buch, das fast jeder Unsterbliche und sein Sekundant bis zum Erbrechen durchgekaut hat. Jetzt erzähl mir nicht, dass du nicht Bescheid weißt. Du hast eine Anspielung in der Richtung gemacht, in jener Nacht, in der wir das erste Mal zusammen gegen die Vampire gekämpft haben!«
Sie warf ihm unter ihren Wimpern hervor einen anteilnehmenden Blick zu. »Ich hab tatsächlich ein bisschen was gehört.«
Er wollte die Hand zurückziehen, aber sie hielt sie fest. »Was hast du gehört?«
»Nur das, was ich mir aus Seths und Davids Gesprächen mit Roland zusammenreimen konnte.«
Also hatte Roland sich tatsächlich Sorgen um ihn gemacht. Wer hätte das gedacht? »Und was haben sie gesagt?«
»Dass du vor ein paar Jahren eine Frau verloren hättest, die du lange geliebt hast.«
Er seufzte. Eigentlich hatte er keine Lust, darüber zu reden. Andererseits konnte er nicht erwarten, dass sie ihm von ihrer Vergangenheit erzählte, wenn er nicht über die seine sprechen wollte. »Seth, Roland oder David haben wahrscheinlich freundlicher über mich gesprochen, als es viele andere tun würden. Es ist spät. Was hältst du davon, wenn ich uns etwas zum Abendessen mache und wir währenddessen reden?«
Mit einem Nicken ließ sie seine Hand los. »Ich mache den Salat.«
»Nein, das tust du nicht«, ermahnte er sie. »Auch wenn Roland deine Wunden geheilt hat, hast du trotzdem eine Menge Blut verloren. Ruh dich lieber aus, Ami.«
»Ich bin wirklich in Ordnung«, beharrte sie.
Das war sie nicht, und da er wusste, dass sie das niemals zugeben würde, bediente er sich eines kleinen Tricks, um ihren Widerstand zu brechen. »Entweder du ruhst dich aus, während ich koche, oder ich
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