Immortal Guardians: Dunkler Zorn (German Edition)
fügte sie hinzu.
Er seufzte. »Es gab … Frauen in meinem Leben.« Er trank einen Schluck von seinem Tee. »Aber das waren eigentlich eher Bekanntschaften. Gefährtinnen, die ich mir gesucht habe, wenn die Einsamkeit zu groß wurde.«
»Und du hast sie nicht geliebt?«
Er schüttelte den Kopf. »Ein paar von ihnen mochte ich sehr gern. Aber irgendwie fühlte ich mich in ihrer Gesellschaft genauso einsam, als wäre ich allein. Es war ein bisschen so, als würde jemand, der kein Gemüse mag, versuchen, seinen Heißhunger nach Eiscreme mit einer Karotte zu stillen.«
Sie nickte langsam, den Blick fest auf ihren Teller gerichtet.
»Ich habe Beth geliebt, bis sie als alte Frau gestorben ist. Als keine andere Frau in den folgenden Jahrzehnten derart starke Gefühle in mir auslöste, verlor ich die Hoffnung und gab mich schließlich damit zufrieden zu warten, bis Beth achthundert Jahre später geboren wurde.«
»Und vor acht Jahren reiste sie zurück in die Vergangenheit?«
»Ja.«
»Und sie wird nicht zurückkehren?«
»Nein.«
»Vermisst du sie?«, fragte sie sanft.
»Ich vermisse sie alle«, sagte er und sah über die Schulter auf das Porträt, das im Wohnzimmer über dem Kamin hing. Darauf waren Robert, Bethany, ihre vier Kinder und Marcus als Zwanzigjähriger zu sehen. »Beth. Robert. Ihre Kinder. Ihre Enkel. Ich vermisse sie alle. Sie waren meine Familie.«
»Aber sie fehlt dir am meisten«, beharrte sie.
Sein Blick glitt über Amis hübsches Gesicht und ihre feuerroten, inzwischen fast vollständig getrockneten Locken, die in gewohnter Unordnung ihr Gesicht umrahmten. »Bis jetzt war das so.«
Sie hielt seinem Blick stand, dann sah sie wieder auf ihren Teller.
Marcus aß weiter, wobei er sich fragte, ob sie seine Anspielung begriffen hatte. Manchmal war Ami wirklich ein Buch mit sieben Siegeln für ihn. Wenn sie nicht antwortete, konnte das bedeuten, dass sie ihn zwar verstanden hatte, aber höflich über seine nicht sehr subtile Andeutung hinwegging; es konnte aber auch bedeuten, dass sie schon wieder vergessen hatte, worüber sie gesprochen hatten. Ihre Faszination für Dinge, die die meisten erwachsenen Menschen schon so häufig gesehen hatten, dass sie sie nicht einmal mehr bemerkten, war nicht die einzige Auffälligkeit, die ihr eine fast kindliche Unschuld verlieh. Manchmal neigte sie dazu, Dinge wörtlich zu nehmen, da ihr der übertragene Sinn von bildhaften Redewendungen entging.
Vielleicht war Englisch ja nicht ihre Muttersprache. Sie hörte sich zwar an wie eine Amerikanerin, dennoch hatte er schon in verschiedenen Ländern ähnliche Missverständnisse mit anderen Unsterblichen und ihren Sekundanten erlebt. Tatsächlich hatte er selbst vergleichbare Fehler gemacht, wenn er eine neue Sprache gelernt hatte.
Wieder senkte sich Stille auf sie herab, auch dieses Mal war sie nicht unbehaglich.
Ami half Marcus dabei, den Tisch abzuräumen. Als sie damit fertig waren, bestand er darauf, dass sie sich ausruhte. Bis jetzt hatte er nicht bemerkt, dass sie an einem der bedenklichen Symptome gelitten hätte, die mit hohem Blutverlust einhergehen konnten. Sie hatte keinen erhöhten Puls, abgesehen von dem Augenblick, als er sie geküsst hatte. (Und da sein eigenes Herz bei dieser Gelegenheit wie verrückt geklopft hatte, zählte das nicht.) Sie litt weder unter Schwindel noch unter Mattigkeit. Ihre Haut fühlte sich nicht feucht und kalt an. Sie wirkte auch nicht verwirrt. Wenn es überhaupt einen Unterschied gab, dann war sie etwas blass.
Da sie so still war, rechnete er halb damit, dass sie sich zum Schlafen zurückziehen würde, als er mit dem Abspülen des Geschirrs begann. Deshalb freute er sich umso mehr, als sie stattdessen ihren Stuhl in die Küche trug und sich neben ihn setzte, um ihm Gesellschaft zu leisten.
»Das Opossum ist weg«, sagte er.
Eine Sekunde später erklang an der Hintertür ein klägliches Miauen.
Ami erhob sich mit einem Lächeln. »Slim muss gewartet haben, bis es weg ist.«
»Auch wenn er das nie zugeben würde – Opossums jagen ihm Angst ein.«
Dass sie auf dem Weg zur Hintertür lachte, entlockte ihm ein Lächeln. Sie schloss die Tür auf und öffnete sie.
Slim trottete in die Küche, wobei er auf Katzenart vor sich hin maunzte, sodass er sich anhörte wie der Lehrer aus den Charlie-Brown-Cartoons. Die Blessuren, die sich der verrückte Kater kurz vor Amis Ankunft eingehandelt hatte, waren inzwischen verheilt. Sie hatten pinkfarbene, kahle Stellen hinterlassen,
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