Immortal: In den Armen der Dunkelheit
gut wie kein Licht.
Sie sah zu der Uhr auf dem Nachttisch. Statt der vereinbarten zwei hatte Dave sie gute sechs Stunden schlafen lassen.
Verdammt! Warum war er nicht gekommen und hatte sie geweckt? Was konnte ihn so lange aufhalten?
Sie schwang ihre Beine vom Bett, setzte sich auf und rieb sich den Nacken. Fetzen ihres Traumes waberten ihr durch den Kopf, und im Geiste schlug sie nach ihnen wie nach lästigen Insekten.
Dann tapste sie ins Bad und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, um richtig wach zu werden. Anschließend frischte sie ihr Make-up auf, ging wieder ins Zimmer zurück und wollte auf Dave warten. Wieder wanderte ihr Blick zu der Uhr, und sie wurde das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte.
Während sie wartete, kehrten ihre Gedanken wieder zu dem Traum zurück. Was hatte Dave gesagt?
Ich stecke in Schwierigkeiten. Ich bin im Kühlraum des Schiffes eingesperrt. Du musst mich hier rausholen!
Kapitel 9
F alls Dave wirklich im Kühlraum war, wollte sie wetten, dass er sich dort nicht selbst eingesperrt hatte. Wer würde ihm so etwas antun wollen? Ihr erster Gedanke war Conrad, aber nur weil sie diesen Mann unheimlich fand, musste er nicht zwangsläufig der Schuldige sein.
Auf jeden Fall konnte Jenna nicht mehr in der Kabine herumsitzen und warten. Also ging sie hinaus und suchte nach dem schnellsten Weg zur Schiffskombüse. Sie eilte den Korridor hinunter, ließ sich nicht von dem Reinigungswagen aufhalten, der fast den ganzen Gang blockierte, und erreichte den Fahrstuhl. Diese ganze Sache konnte sich als Schnapsidee erweisen, ermahnte sie sich, als sie in den Aufzug stieg und den Knopf des Fiesta-Decks drückte. Ihre Sorge um Dave wuchs sekündlich, so dass sie zusehends ungeduldiger wurde. Als der Fahrstuhlgong keine Minute später ertönte, krallte sie die Türen buchstäblich auf und rannte hinaus.
Unbemerkt lief sie an Leuten vorbei, die in den Korridoren hin und her eilten. Im Speisesaal erschrak sie zunächst vor dem Lärm der Gäste, die sich unterhielten, und der Band. Jenna verlangsamte ihre Schritte, um nicht aufzufallen, als sie sich an den Tischen vorbei zur Seitentür begab, durch die Kellner kamen und gingen. Es dürfte schwierig werden, dort hineinzugehen, ohne dass sie bemerkt wurde, aber sie hatte auch nicht vor, sich in den Küchenbereich zu schleichen. Oh nein, sie wollte hineinstürmen und verlangen, den Chefkoch zu sprechen. Dann würde sie ihm die Lage erklären und verlangen, dass er sofort den Kühlraum öffnete.
Falls sie Dave dort fand, wovon sie ausging, würde der Vorfall dem Captain gemeldet. Und sollte Dave nicht in dem Kühlraum sein – nun, darüber dachte sie nach, wenn es so weit war.
Ohne zu zögern, stieß sie die Tür auf und marschierte hinein.
Eigentlich sollte hier hektische Betriebsamkeit herrschen, Kellner müssten hin und her laufen, Bestellungen rufen und Teller holen. Aber hier war überhaupt niemand. Die Herde waren leer, poliert, und ihr rostfreier Edelstahl glänzte matt im gedämpften Licht.
Verwirrt trat Jenna weiter in den Raum. Wo steckten sie alle? Keine zwei Minuten zuvor hatte sie einen Kellner mit einem Tablett voller Essen aus der Küche kommen gesehen. Sie drehte sich zur Tür und beobachtete, wie sie aufschwang. Ein Kellner kam herein … und verschwand einfach.
Entgeistert starrte sie auf die Stelle. Wo war er hin? Sie sah sich um. Keine Spur von ihm. Vor lauter Staunen konnte sie sich nicht rühren, sondern blickte weiter auf den Punkt, an dem sich eben ein Kellner in Luft aufgelöst hatte.
Sie zuckte zusammen, als die Tür ohne ersichtlichen Grund wieder aufschwang. Drinnen im Speisesaal saßen Hunderte von Passagieren an den Tischen. Auf einmal wurde Jenna die Sicht von einer Kellnerin blockiert, die aus dem Nichts mit einem Tablett voller Essen auftauchte.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, ging sie ein weiteres Mal auf, und noch ein Kellner kam in die Küche, der direkt auf Jenna zusteuerte. Er lief schnell, sein Blick auf etwas anderes gerichtet, als würde er sie gar nicht sehen. Er lief an ihr vorbei, und sie drehte sich zu ihm um. Da blieb er plötzlich stehen und schaute sie an. Ihr Atem stockte, aber noch ehe sie überlegen konnte, was sie tun sollte, löste er sich in Luft auf.
Zusehends panisch, eilte Jenna zu den großen Metalltüren an der gegenüberliegenden Wand. Hinter einer von ihnen musste sich der Kühlraum befinden. Sie riss eine nach der anderen auf, aber alle Räume dahinter
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