Immortal: In den Armen der Dunkelheit
sagte sie sichtlich erleichtert.
»Aber ich gehe nicht aus. Das Hotel bietet mir alles, was ich brauche.«
»Das ist auch gut.« Die junge Hexe trat durch die Balkontür zurück. »Legrands Schergen schnüffeln herum. Der Mistkerl weiß, dass Sie hier in Rom sind.«
Er folgte ihr nach drinnen, wo seine Zehen im weichen Teppich versanken.
»Ich habe es bereits erwartet. Das Finale naht.«
Solanges Nasenflügel bebten. »Es ist zu früh. Sie können nicht sicher sein, dass Sie gewinnen – noch nicht. Sie sollten sich verstecken, bis wir wissen, dass Sie stark genug sind.«
Jackson stellte sein Weinglas auf die Bar, wobei er vor Wut zu grob war, so dass es knackte. Er hatte so lange gewartet! Jetzt, da das Ende in Sicht war, musste er unbedingt vorsichtig sein. Aber er wünschte dringend, dass er alles beenden könnte – heute Nacht.
Er sah zum Fenster.
»Bitte!«, flüsterte Solange. »Ich bitte Sie! Lassen Sie uns nicht hierbleiben! Wir müssen nach unten, bevor die Sonne aufgeht. Wir können nicht riskieren …«
Jackson zog beide Brauen hoch.
Prompt wurde Solange rot, blickte ihn aber weiter an. »Verzeihen Sie meine Direktheit, Monsieur. Aber ich … ich mache mir Sorgen.«
Und ihre Sorge war berechtigt. Solange mochte jung sein, verfügte jedoch über einen ausgezeichneten Instinkt. Jackson wollte ihren Rat trotzdem nicht befolgen, denn die Illusion von Menschlichkeit, die er als Hotelgast aufrechterhielt, war so verlockend wie der Kuss einer Geliebten. Pragmatismus hingegen war eine weniger verführerische Mätresse.
Ja, was Selbsttäuschung betraf, war Jackson ein Meister. Er neigte den Kopf. »Wie du wünschst. Wir reisen eine Stunde vor Tagesanbruch ab. Sag den anderen Bescheid!«
Solange drehte sich um und begann, die Glasscherben einzusammeln. »Sehr gut.«
Jackson ging ins Schlafzimmer, zog sich die verschwitzten Sachen aus und frische an. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, wartete Solange dort. Abwesend drehte sie an ihrem Goldring: eine Angewohnheit, derer sie sich gar nicht bewusst war. Oder vielleicht doch.
»Auf der Terrasse findet eine Feier statt«, erzählte sie. »Wein fließt in Strömen, Verliebte schlendern durch die Gartenanlage hinter dem Swimmingpool. Enzo und Gunter sind bereits unten. Dort finden Sie leicht, was Sie brauchen.«
Jackson nickte und eilte zur Tür. Inzwischen war sein Hunger unerträglich geworden. Nicht einmal mehr Schuldgefühle wegen dem, was als Nächstes kam, regten sich in ihm.
Seine Eckzähne waren länger und schnitten ihm in die Lippe. Blut tropfte auf seine Zunge, gestohlenes Blut, dessen Lebensessenz beinahe aufgebraucht war. Sein Hals war wund.
Er hatte brennenden Durst.
Irgendwie schaffte er es, sich umzudrehen, als er schon eine Hand auf dem Türknauf hatte. »Ich bleibe nicht lange. Warte nicht auf mich. Geh in dein Zimmer und schlaf ein wenig!«
Seine Dienerin verneigte sich, und Jackson ging.
Solange hatte recht gehabt, wie meistens. Die Party auf der Terrasse bot eine hervorragende Jagdgelegenheit. Enzo und Gunter bewegten sich am Rande der glitzernden Menge, lachten und tauschten belanglose Nettigkeiten mit den Gästen aus. Jeder der Vampire war in Begleitung einer atemberaubend schönen Frau.
Jackson kniff die Augen leicht zusammen, aber er wusste, dass den Damen durch seine Untergebenen kein dauerhafter Schaden zugefügt würde. Ebenso wenig würden ihre Körper geschändet – nein, nicht einmal wenn sie darum bettelten. Weder Enzo noch Gunter würde wagen, Jacksons ausdrückliche Anordnung zu missachten.
Er nahm ein Weinglas von einem Tablett, trank aber nicht. Geschmeidig mischte er sich unter die wohlhabenden Hotelgäste, die aus aller Welt hergekommen waren, und wechselte mühelos zwischen Italienisch, Englisch und Französisch hin und her. Wieder einmal erwiesen sich sein Sprachunterricht in der Jugend sowie die Stunden in Haltung und Umgangsformen als äußerst nützlich. Genau wie es seine Bostoner Großmutter prophezeit hatte.
Er traf schnell eine Auswahl, denn das Brennen in seinem Innern erreichte seinen Höhepunkt. Ausschließlich Frauen, natürlich, denn sich an Männern zu nähren, weckte Erinnerungen, die besser weiterschlummerten. Sein erstes Opfer lockte er in das satte Grün jenseits der Terrasse. Das lebhafte Mailänder Model ahnte gar nicht, in welche Gefahr es sich begab. Schließlich war der erste Biss stets am schwierigsten zu kontrollieren – vor allem, nachdem man sich so lange das Nähren
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