Immortal: In den Armen der Dunkelheit
dir das Blut bis auf den letzten Tropfen auszusaugen. Geh weg von mir, Leanna! Flieh in die Sonne, jetzt, bevor es zu spät ist!«
»Nein.«
Das Wort kam ihr wie von selbst über die Lippen, und sie bereute es nicht. »Ich gehe nicht, Jackson – egal, wie sehr du mich bittest. Ich bleibe hier bei dir.«
Sie legte ihre Hand auf seine Brust. Sein Herzschlag war so schwach, dass sie ihn nicht fühlen konnte. »Du musst mir mein Blut nicht stehlen, denn ich gebe es dir bereitwillig.«
»Warum willst du dich beflecken? Ich kann dir nichts als Todesmagie, Besessenheit und Zerstörung bieten. Das willst du nicht, Leanna.«
»Ich weiß, was Todesmagie ist«, erwiderte sie ruhig. »Ich habe sie selbst praktiziert. Ich rief einen Dämon herbei, einen Ewigen. Arrogant, wie ich war, dachte ich, ich könnte das Böse meinem Willen beugen. Stattdessen wurde ich zu seiner Sklavin. Meine Seele ist schon befleckt. Ein Vampirbiss könnte sie kaum schwärzer machen. Mein Blut gehört dir, Jackson. Nimm es, bitte!«
»Leanna …«
Er fasste grob ihren Kopf und zwang sie, ihn anzusehen. Was sie in seinen Augen erkannte, jagte ihr schreckliche Angst ein. Ja, er war eine Todeskreatur, gierig und unbarmherzig. Wie konnte der Mann, den sie liebte, hinter diesen toten, brennenden Augen stecken?
Trotzdem glaubte sie fest, dass er immer noch da war. Er musste, denn etwas anderes wollte sie nicht akzeptieren. Und genau das sprach sie aus.
»Ich liebe dich, Jackson. Das habe ich immer getan und werde es auch immer tun. Nichts, was du tust oder bist, wird daran etwas ändern.«
»Verdammt, Leanna! Weißt du, wie viele Menschen ich getötet habe? Wie viele Unschuldige ich zu untoten Monstern machte?«
»Nein, und ich will es auch nicht wissen. Sag es mir nicht, denn es macht keinen Unterschied für mich. Ich weiß, wer du bist.«
»Ach ja? Dann weißt du mehr als ich.«
Sie berührte seine Wange. Er war so furchtbar blass. Tränen kamen ihr, während sie den Mann ansprach, der er einst gewesen war.
»Erinnerst du dich an den Abend, als wir uns kennenlernten?«
Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, doch zuvor hatte sie noch jenes Aufflackern von Menschlichkeit gesehen, das er hatte verbergen wollen. »Wie könnte ich ihn vergessen? Du standest unten an der Treppe. Ich kam aus dem Ballsaal und sah dich, umringt von Männern, aber ich glaube nicht, dass du sie wahrgenommen hast. Du wirktest so verloren.«
»Niemand sonst an dem Abend bemerkte, wie unglücklich ich war. Keinen kümmerte, wie ich mich fühlte – vor allem nicht die Künstler, die mir an den Lippen klebten. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, nach meiner Magie zu gieren und meinen Busen zu begaffen.«
»Ich wollte nichts anderes, als dich zum Lachen bringen.«
Leanna lächelte. »Was dir auch gelang.«
Tatsächlich wurden seine Züge ein wenig weicher. »Einen Kellner mit einem Tablett voller Weingläser umzurennen, gehörte nicht zu meinem großen Plan, dich zu amüsieren, sei es versichert!«
»Aber als der Merlot in Mrs.Emersons Dekolleté landete …«
Jackson lachte leise, und Leanna ging das Herz auf. »Ich danke Gott und dem Himmel, dass sie mich nicht erkannte«, sagte er. »Sonst hätte sie umgehend meinem Vater geschrieben, der wiederum mir befohlen hätte, meine Albernheiten zu unterlassen und auf der Stelle nach Boston zurückzukehren.«
So rasch, wie Leannas Unbeschwertheit gekommen war, wich sie einem Gefühl der Leere. »Du bist nie nach Hause zurückgereist – meinetwegen.«
Auch Jackson wurde wieder ernst. »Weil ich mich in dich verliebt hatte. Ich wollte bei dir bleiben und dich so lange zum Lachen bringen, wie du wolltest.«
»Teils wollte ich das auch. Ich liebte dich so sehr.«
»Hast du das wirklich, Leanna? Eine Zeitlang dachte ich, es könnte wahr sein. Ich dachte es in jenem Sommer jedes Mal, wenn ich dein Lachen hörte, wenn wir uns liebten und in der Nacht, als ich dein Porträt malte.«
Götter! Ihr Porträt.
Er schluckte. »Das Gemälde ist hier in Rom. Es hängt in der Galleria Nazionale. Hast du das gewusst?«
»Nein«, antwortete Leanna leise, »aber es überrascht mich nicht, denn es ist ein echtes Meisterwerk.«
»Allerdings nicht mein Meisterwerk. Deine Magie schuf dieses Porträt.«
»Deshalb kamst du doch nach Paris, nicht? Um ein großes Werk zu schaffen.«
»Ja, das war der Grund, bis mir Paris begreiflich machte, dass mein eingebildetes großes Talent nichts als Farbenspiele eines Dilettanten
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