Immortal: In den Armen der Dunkelheit
flüchtig, dass sie ihn kaum spürte.
Als Nächstes sogen seine Lippen an ihr, was eine seltsame Empfindung in ihrem Herzen weckte. Seine Zähne gruben sich tiefer in sie hinein und lösten etwas in ihr aus, das sie bisher nicht gekannt hatte.
Wonne.
Natürlich hatte sie das erwartet. Wären Vampire keine Meister darin, wahre Wonne zu bereiten, würden die Menschen nicht ihre Seele für das Privileg verkaufen, sich den Untoten hinzugeben. Diese Wonne war intensiv, aber nicht unerträglich. Und Leanna kannte solche Hochgefühle, sogar in zahlreichen Schattierungen, seit vielen Jahren und von unzähligen Liebhabern in Licht wie in Dunkelheit.
Aber hier war Wonne erst der Anfang.
Sie spürte auch Furcht, eine anwachsende Panik, die das Erotische an Jacksons Biss noch steigerte. Angst um ihr Leben, während das Blut aus ihrem Herzen in seinen Leib gepumpt wurde. Und ihr war, als würde ihre Seele mit ihm reisen.
Sie konnte sich so wenig bewegen wie eine Fliege, die in einem Spinnennetz saß, denn sie war gleichsam gelähmt. Jackson blickte in ihre Seele, in ihren Geist und sah ihre finstersten Begierden. Sie war ihm vollkommen wehrlos ausgeliefert, so dass er sich von ihr nehmen oder ihr geben konnte, was immer er wollte.
Hingegen konnte sie ihm nicht in die Seele oder in seinen Geist blicken.
Diese einseitige Intimität, die er ihr aufzwang, war fast nicht auszuhalten. Leanna war darin geübt, ihr Innerstes zu verbergen. Sie war es gewohnt, ihr Denken von ihrem Körper zu trennen, sobald ihre Gefühle zu stark wurden. Diese Technik hatte sie bereits erlernt, als sie vom Mädchen zur Frau geworden war, da sie nur so die Hände ihres menschlichen Vaters auf ihrem Leib ertrug.
Über Jahre, noch lange nachdem sie ihre volle Sidhe-Macht erreicht hatte und aus den Highlands geflohen war, prägten ihre bitteren Jugenderfahrungen sämtliche Begegnungen mit Männern. Niemals entblößte sie gegenüber ihren Liebhabern ihre Seele. Stets versteckte sie einen wesentlichen Teil vor ihnen.
Jetzt jedoch, bei Jackson, konnte sie nichts verbergen. Er öffnete sie sich vollständig, setzte ihre Seele dem Licht aus, auf dass er sie in aller Ruhe betrachten konnte. Sie gehörte ihm. Jacksons Vampirbiss berührte ihr Innerstes nicht bloß. Er zerlegte es, inhalierte es, verschlang es.
Und ihr blieb keine andere Wahl, als es hinzunehmen.
Der Biss zog sich hin, Wonne und Schmerz, die sich unendlich auszudehnen schienen. Leanna fühlte ihr Blut in ihn fließen, was ihr ein köstliches Erlebnis bescherte. Falls er sich nicht beherrschte und sie ganz und gar aussaugte, würde sie nicht einmal protestieren. Als er sich schließlich zurückzog, schrie sie auf und wollte verhindern, dass er seinen Mund von ihr löste.
Der Raum um sie herum schwankte. Längst hatte sie die Kontrolle über ihr Elfenlicht verloren, das sich wie der Strahl eines Leuchtturms drehte. Jacksons schönes Gesicht wurde abwechselnd hell angestrahlt und tauchte wieder in die Dunkelheit. Seine Reißzähne, fleckig von ihrem Blut, blitzten im Schein. Unwillkürlich leckte Leanna sich die Lippen und rechnete fast damit, es zu schmecken.
Seine Augen beobachteten ihren Mund, wobei sie zunehmend dunkler wurden. Bald waren sie so schwarz, dass Leanna glaubte, in ihrer samtigen Tiefe auf immer untergehen zu können.
Dann senkte er seine Lider, und endlich gelang es ihr, Atem zu holen. Doch kaum beugte er seinen Kopf aufs Neue zu ihrem Hals, bog sie sich ihm entgegen.
Es folgte kein Biss. Vielmehr glitt seine Zunge über ihre Wunde, was ein angenehmes Kitzeln bewirkte. Der vage Schmerz verschwand, und als Leanna ihren Hals betastete, fühlte sie nichts als glatte, unversehrte Haut.
Er klang selbstironisch, als er erklärte: »An dieser Stelle lösche ich üblicherweise die Erinnerungen der Opfer aus. Ich könnte es auch bei dir tun, wenn du willst.«
»Nein«, flüsterte Leanna errötend. Obgleich sie die Sekunden absoluter Hilflosigkeit durchaus gern vergessen hätte, behagte ihr die Vorstellung nicht, dass Jackson sich daran erinnerte, während sie selbst von nichts mehr wusste. »Nein, tu das bitte nicht!«
Er nickte, stand auf und lehnte sich seitlich gegen ein Mauerstück zwischen zwei Grabnischen, so dass er ihr halb den Rücken zukehrte. Leanna zog die Knie an ihre Brust und schlang ihre Arme darum. Sie beobachtete ihn, und nach und nach wurde sie sich ihres Körpers bewusster. Merkwürdigerweise fühlte sie sich weder schmutzig noch ausgelaugt, wie es bei
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