Immortalis
ihre Klauen entgegen. Darüber wollen Sie nichts wissen , Principe. Vertrauen Sie mir. Es ist kein Geschenk, für niemanden. Es ist ein Fluch, schlicht und einfach. Ein Fluch, von dem es keine Erlösung gibt.
Erlösung.
Er konzentrierte sich auf dieses Wort und sah wieder den gehetzten Ausdruck in den Augen Botelhos – des Marquis de Montferrat in jener Zeit –, als er sie vor all den Jahren ausgesprochen hatte.
Was, wenn Botelho diese Erlösung am Ende doch gefunden hatte? Was, wenn er das Elixier besaß, aber – aus irgendeinem irrwitzigen Grund, den di Sangro sich nicht vorstellen konnte – aufgehört hatte, es zu benutzen?
Er schleuderte den Bierkrug zu Boden und rieb sich heftig die Augen, um den Schleier zu vertreiben, der seine Gedanken umwölkte. Sein Herzschlag dröhnte donnernd in seinen Ohren, als die wütende Erkenntnis in ihm heraufdämmerte.
Er war überlistet worden.
Der marquese hatte es schon wieder getan. Er hatte ihn zum Narren gehalten. Ja, Botelho war älter geworden. Aber das bedeutete nicht, dass er das Elixier nie gehabt hatte. Es bedeutete nur, dass er es nicht mehr benutzte. Und di Sangro war ein alter Trottel geworden, der zugelassen hatte, dass der marquese ihn verleitete, seine Suche aufzugeben.
« Bastardo », brüllte er, sprang auf und verließ taumelnd das überfüllte Wirtshaus. In seinen Adern brannte ein rasendes Feuer.
Sebastian sah zu, wie die matten Schatten des Mondlichts über die Wände des Schlafgemachs schlichen.
Er konnte nicht schlafen. Die Vorstellung, Thérésia oder Miguel an di Sangro zu verlieren, gärte noch immer in ihm. Er fragte sich, ob er den Mann nicht auf der Stelle hätte umbringen sollen – aber dazu war es jetzt zu spät. Außerdem wusste er nicht, wen der Principe noch bei sich hatte und wem er seinen Verdacht anvertraut hatte. Sein Tod wäre keine Garantie für künftigen Frieden.
Sein Zufluchtsort war gefährdet. Mehr als der Mann selbst bedrängten ihn die Worte, die er gesprochen hatte und die Sebastian immer noch in den Ohren klangen. Welch ein Geschenk es gewesen wäre. Mehr Zeit mit denen zu verbringen, die wir lieben. Mehr Zeit zum Lernen zu haben, zum Reisen, zum Entdecken … Zeit, wirklich zu leben.
Viele Male hatte er sich das vorgestellt, genau wie Isaac Montalto und wie dessen Vater vor ihm. Ein Geschenk für die Menschheit, von dem sie alle geträumt hatten. Eine Bürde, die er ganz allein auf seinen Schultern getragen hatte. Ein Versprechen, das er gebrochen hatte.
Di Sangro hatte recht. Es war eine Tragödie.
Er durfte es nicht länger ignorieren.
Thérésia regte sich neben ihm. Ihren besorgten Augen sah er an, dass sie – wie schon so oft – die Gedanken in seinem kummervollen Gesicht lesen konnte.
«Wir müssen fort, nicht wahr?», fragte sie.
Sebastian nickte nur und nahm sie in seine Arme.
Im ersten Licht des Morgens stürmte di Sangro wie ein Dämon in die majestätische Villa, den Degen in der einen, die Pistole in der anderen Hand. Er schrie nach Sebastian. Aber seine Rufe blieben unbeantwortet. Er trat und schlug nach den Dienern, die erschienen und ihn zur Vernunft bringen wollten, dann rannte er die Treppe ins obere Stockwerk hinauf, wo die Schlafzimmer lagen. Er trat die geschnitzte Flügeltür zu Sebastians und Thérésias Schlafgemach ein – und fand es leer.
Sie waren längst über alle Berge, und im Grunde seines Herzens wusste er, dass er sie nie wiedersehen würde.
Er sank auf die Knie. Seine Waffen fielen klirrend auf die Fliesen. Er weinte.
Sebastian sah zu, wie die Träger Thérésias Truhe und ihren Kleiderkoffer auf das Schiff schleppten. Im Hafen wimmelte es von Booten in allen Größen, von kleinen phönizischen, halbmondförmigen fragatas , die im Hafen Leichterdienste leisteten, bis zu den großen Dreimastern, die den Atlantik überquerten und die alte Hafenstadt mit der Neuen Welt verbanden.
Sein Herz schmerzte, als er an die Überfahrt dachte, die seine Frau und sein Sohn bald antreten würden. Die Entscheidung verfolgte ihn, seit sie in jener Nacht vor wenigen Tagen ihr Haus verlassen hatten.
Sie würden niemals Frieden finden, niemals Ruhe vor di Sangro und all den andern, die unweigerlich davon erfahren würden. Nicht, solange sie zusammen waren.
Und er hatte eine Aufgabe zu erfüllen.
Ein Versprechen zu halten.
Einer Bestimmung zu gehorchen.
«Warum kannst du es dir nicht noch anders überlegen und uns mitkommen lassen?», fragte Thérésia. Miguel stand
Weitere Kostenlose Bücher