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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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neue «Benihana» mit japanischer Küche getreten. Auch die rund angelegte «News Bar» war längst verschwunden – ersetzt durch die ähnlich phantasievoll benannte «Lounge» mit ihrer Täfelung aus dunklem Wengé-Holz, leiser «Café del Mar»-Musik und Passionsfrucht-Mojitos –, ebenso wie Coco, der Hauspapagei, der mit seiner gespenstisch makellosen Imitation anfliegender Granaten so manchen uneingeweihten Gast hastig in Deckung hatte gehen lassen.
    Die Glanzzeit des Hotels waren die achtziger Jahre gewesen, als es die bevorzugte Herberge der amerikanischen Journalisten war. Zu einer Zeit, als rivalisierende Milizen West-Beirut zum Inbegriff des urbanen Chaos gemacht hatten – bevor Mogadischu und später Bagdad diese Ehre für sich beansprucht hatten –, war das «Commodore» die sichere Heimstatt des Filet Mignon gewesen, des elektrischen Stroms, funktionierender Telex-Geräte und einer niemals versiegenden Bar. Dem unerschrockenen Hotelmanager und ein paar deftigen Schutzgeldzahlungen sei Dank. Um die Wahrheit zu sagen: Wahrscheinlich hatte der Manager nur allzu gute Arbeit geleistet, denn die meisten Reporter, die in der Stadt waren, um über den Bürgerkrieg zu berichten, wagten sich nur selten aus der bequemen Sicherheit des Hotels hinaus und übermittelten ihre Augenzeugenberichte lieber aus der Lobby als von der Front.
    Gottlob war diese Zeit längst vorüber – weitgehend jedenfalls. Und die Schönheitsoperationen, die die Stadt zu neuem Leben erweckt hatten, waren an dem Hotel, das jetzt «Meridien Commodore» hieß, nicht vorübergegangen. Aber trotz der schicken Renovierung war es immer noch der beliebteste Treffpunkt für die Auslandspresse, auch ohne Coco. Die Meute war treu geblieben, und diese Loyalität war deutlich sichtbar geworden, seit der kurze, aber brutale Krieg ausgebrochen war, der den ganzen Sommer über weltweit die Schlagzeilen beherrscht hatte. Das «Commodore» hatte seinen alten Glanz wieder, gespeist von Alkohol, Adrenalin und der besten Breitband-Verbindung der ganzen Stadt, und wieder gab es auf unnachahmliche Weise seinen Gästen das Gefühl, sie alle wären Teil einer großen sizilianischen Familie. Mia Bishop empfand das als angenehm, denn ihre Erfahrung mit Kriegsgebieten war gleich null.
    Nicht, dass sie erpicht gewesen wäre, daran etwas zu ändern.
    Ihr Abenteuerspielplatz war die Genetik.
     
    «Ich weiß, es geht mich wahrscheinlich nichts an, aber … bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?»
    Nachdem sie mit Evelyn über die Fortschritte ihrer eigenen Arbeit geplaudert und sich über die zahllosen Nachwirkungen des Kriegs ausgetauscht hatte, ließ Mia endlich ihre Frage los. Sie hatte ihr keine Ruhe gelassen, seit sie gekommen waren, und auch wenn es ihr unangenehm war, ihre Mutter darauf anzusprechen, hätte es ihr noch größeres Unbehagen bereitet, ihrer Mom nicht die Möglichkeit zum Reden anzubieten, wenn sie eine brauchte.
    Auf die Frage hin setzte Evelyn sich unruhig auf dem weichen Sofa zurecht, dann nahm sie einen bedächtigen Schluck aus ihrem Weinglas. «Mir geht’s gut», behauptete sie, aber ihr halbes Lächeln sah gezwungen aus. Ihr Blick wanderte umher und verlor sich dann im sanften Glanz des Weins. «Es ist nichts weiter.»
    «Bist du sicher?»
    Evelyn zögerte. «Es ist nur … Ich habe heute jemanden getroffen. Jemanden, den ich lange nicht gesehen habe. Seit fünfzehn Jahren nicht, oder noch länger.»
    Mia ließ ein vielsagendes Lächeln aufstrahlen. «Ich verstehe.»
    Evelyn begriff, was Mia dachte. «Nichts dergleichen, glaub mir», widersprach sie. «Ein einheimisches Faktotum, ein Mann, der uns bei den Ausgrabungen geholfen hat. Im Irak. Vor Saddam. Ich war unten im Süden mit Rames – du kennst ihn, oder?»
    Mia nickte. «Ich glaube ja. Dieser kleine Kerl, letzte Woche, in deinem Büro, richtig?»
    Er war der Einzige von Evelyns Kollegen, den sie kennengelernt hatte. Mia war erst vor drei Wochen nach Beirut gekommen, mit einer der ersten Maschinen, die wieder auf dem Flughafen landen durften, nachdem die Landebahnen gleich in den ersten Kriegstagen von den Israelis bombardiert worden waren.
    Sie hatte sehr schnell Bekanntschaft mit der bizarren Welt Beiruts nach dem Krieg gemacht: Der riesige Airbus war Sekunden nach der Landung jäh zum Stehen gekommen und dann so scharf von der Landebahn abgeschwenkt, dass man plötzlich einen Bulldozer und einen Zementlaster sehen konnte, die in aller Gelassenheit einen tiefen Bombentrichter

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