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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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und der lauten Musik. Die Augen taten ihm weh von den sprühenden Funken der Feuerräder und den prunkvoll fremdartigen Kostümen, die vor ihm umherstolzierten: Pfauen, Giraffen und andere exotische Tiere.
    An solchen Abenden vermisste er den Orient noch mehr als sonst. Aber er wusste, die alten Zeiten waren lange, lange vorbei.
    Er ließ seine müden Augen durch den großen Saal wandern und fühlte sich von Kopf bis Fuß wie der Hochstapler, der er ja war. Tierköpfe aus Pappmaché balancierten wacklig auf gepuderten Perücken und starrten auf ihn herab, lange Federn kitzelten ihn an der Nase, und ringsumher tanzten die Gäste im Palais des Tuileries wild durcheinander. Perlen und Diamanten fesselten seinen Blick, wohin er sich auch wandte; sie glänzten im Licht von vielen hundert Kerzen, deren geschmolzenes Wachs unbeachtet von allen zu Boden tropfte. Es war nicht sein erster Ball, und es würde auch nicht sein letzter sein. Er wusste, dass er noch viele Abende wie diesen bal de la jungle , den Dschungelball, würde durchleiden müssen – noch mehr ungezügelten Pomp, noch mehr belangloses Geplauder, noch mehr hemmungslose Koketterie. Das alles gehörte zu dem neuen Leben, das er sich geschaffen hatte, und seine Anwesenheit bei solchen Veranstaltungen wurde erwartet – ja, erhofft. Er wusste auch, dass die Pein damit nicht zu Ende war: An den nächsten Tagen und Abenden würde er in zahllosen Salons hören müssen, wie – endlos und aufgeregt – immer wieder vom Glanz und von den pikanteren Ereignissen des Abends erzählt wurde.
    Es war der Preis, den er für den Zugang zu dieser Gesellschaft zahlen musste, und diesen Zugang brauchte er, wenn er jemals Erfolg haben wollte – auch wenn dieser Erfolg mit jedem Jahr, das verstrich, in immer weitere Fernen zu rücken schien.
    Es war in Wahrheit eine unerfüllbare Aufgabe.
    Oft, wie auch heute Abend, sah er sich unversehens gedankenverloren umherwandern, und dann versuchte er sich zu erinnern, wer er wirklich war, was er hier tat und worum es in seinem Leben eigentlich ging.
    Nicht immer fiel es ihm sogleich ein.
    Immer seltener gelang es ihm, sich nicht ganz und gar in dieser falschen Person zu verlieren. Die Versuchung folgte ihm auf Schritt und Tritt. Jeden Tag begegnete er Dutzenden von armen Leuten auf der Straße, Männern und Frauen, die ihren rechten Arm für das Leben gegeben hätten, das er da genoss – denn sie glaubten, dass er es genoss. Hatte er sich jetzt nicht lange genug bemüht, sich nicht lange genug versteckt? War er nicht lange genug allein gewesen? Es verlockte ihn, die ganze Suche aufzugeben, die Rolle abzulegen, die ihm vor all den Jahren in diesem Verlies in Tomar aufgebürdet worden war, und seine nach außen hin glücklich wirkende Position Realität werden zu lassen. Sich niederzulassen und den Rest seiner Tage in behaglichem Luxus und – was noch wichtiger war – in einem normalen Dasein zu verbringen.
    Er konnte dieser Versuchung kaum noch widerstehen.
     
    Seine Reise nach Paris war alles andere als geradlinig verlaufen.
    Es war ihm gelungen, aus Neapel zu entkommen, aber er wusste, dass er nirgendwo in Sicherheit war, jedenfalls nicht in Italien. Di Sangro würde nicht ruhen, bis er ihn gefunden hätte. Er hatte es in den Augen des Fürsten gesehen, und er wusste auch, dass der Fürst über genügend Geld und Leute verfügte, um ihn aufzuspüren. Also machte er sich daran, seine Spur zu verwischen. Wo immer er sich aufhielt, nahm er eine neue Identität an, bevor er weiterzog und verwirrende Geschichten über seine Herkunft und seine Unternehmungen hinterließ.
    Sorgfältig hatte er in Pisa, Mailand und Orleans seine Lügengeschichten ausgesät, während er sich auf die große Stadt zubewegte. Immer wieder hat er neue Namen angenommen: Comte Bellamare, Marquis d’Aymar, Chevalier Schoening. In kommenden Jahren würde man – teils zu Recht, teils fälschlicherweise – noch weitere Namen mit ihm verbinden. Einstweilen aber lebte er in seiner Pariser Wohnung recht komfortabel als Comte de St. Germain.
    Paris entsprach ganz seinen Bedürfnissen. Es war eine große, geschäftige Stadt – die größte Ansiedlung Europas –, die Scharen von Reisenden und Abenteurern anlockte. Seine Erscheinung würde unter zahllosen anderen nicht auffallen. Hier konnte er mit anderen Reisenden zusammentreffen, mit Männern, die wie er im Orient gewesen waren und die auf ihren Reisen vielleicht dem Symbol der schwanzfressenden Schlange begegnet

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