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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Familie scheint von einem unersättlichen Willen zum Reisen geplagt zu sein. Was meinen Vater angeht, so kann ich Ihnen leider nichts Genaues sagen. Es war für mich als Kind schon schwer genug, seine Wege zu verfolgen, und leider bin ich völlig unwissend, was die Zeit vor meiner Geburt betrifft.» Die kleine Zuhörerschar lachte laut und viel länger, als es diese Bemerkung verdiente. «Aber wenn Sie gestatten», fügte er hinzu, «warum fragen Sie?»
    Die Neugier in ihrem Blick war immer noch da. «Ich kannte damals einen Mann», sagte sie. «Er machte mir den Hof. Ich erinnere mich noch an unsere erste Begegnung. Wir sangen zusammen ein paar Barkarolen, die er komponiert hatte, und …» Ein helles Leuchten trat in ihre Augen, als ihre Gedanken in jene Zeit zurückwanderten. «Seine Züge, sein Haar, seine Haut … sogar seine Haltung. Eine solche Erscheinung, einen solchen Adel findet man nur bei wahrhaft großen Männern.» Sie wirkte ehrlich verblüfft. «Und das alles sehe ich ganz genauso auch in Ihnen.»
    St. Germain verbeugte sich mit falscher Bescheidenheit. «Sie sind zu freundlich, Madame.»
    Die Frau winkte ab. «Bitte, Graf. Ich beschwöre Sie – lassen Sie es mich wissen, wenn ich es wirklich mit einem Ihrer Verwandten zu tun hatte. Die Ähnlichkeit ist so gespenstisch, dass ich darüber nicht hinwegsehen kann.»
    St. Germain machte dem Unbehagen ein Ende. Er strahlte die Fragerin an. «Madame, es ist überaus gütig von Ihnen, mir ein solches Kompliment zu machen», säuselte er. «Ich werde nicht rasten, bis ich die Identität meines glanzvollen Verwandten, der Sie so sehr beeindruckt hat, ans Licht gezaubert habe.» Mit einer halben Verneigung beendete er das Gespräch, aber sie wich nicht von der Stelle. Sie blieb wie gebannt stehen.
    «Überaus faszinierend», murmelte sie und sagte dann: «Ich höre, dass auch Sie ein göttlicher Pianist sind, Graf. Könnte es sein, dass der Mann, an den ich mich erinnere, Sie unterrichtet hat?»
    Er lächelte sie an, aber sein Lächeln wollte nicht mehr bis zu seinen Augen dringen. Er wollte eben antworten, als er am Rande der kleinen Menagerie eine vertraute Gestalt entdeckte, die ihn beobachtete. Es war Thérésia de Condillac, und anscheinend amüsierte seine Lage sie sehr.
    «Ah, da sind Sie ja», rief sie endlich und trat vor. In ihrem Blick lag ein wissendes Funkeln. «Ich habe Sie überall gesucht.»
    Nach höflichem Knicksen und Nicken und ein paar eiligen Vorstellungsworten hakte die Frau sich bei St. Germain unter und rettete ihn mit einer knappen Entschuldigung kühn vor seiner verdutzten Peinigerin.
    «Sie haben hoffentlich nichts dagegen, dass ich Sie einer so glühenden Verehrerin entführe, Monsieur», sagte sie, als sie in der Menge untertauchten.
    «Ich weiß nicht, ob ich das Wort ‹glühend› benutzen würde. ‹Senil› vielleicht?»
    «Sie dürfen nicht so unhöflich sein, Graf.» Sie lachte. «Nach ihren rosigen Wangen zu urteilen, könnte es leicht sein, dass sie Sie zu einigen Halbbrüdern führt, von denen Sie noch gar nichts wissen.»
    Sie bahnten sich ihren Weg hinaus in den Garten, der von Fackeln und schwirrenden Feuerrädern erleuchtet wurde. Die Rauchfahnen des Feuerwerks lagen tief über dem Boden und verhüllten das nahe Flussufer. Elefanten, Zebras und eine Horde Affen, allesamt aus der königlichen Menagerie zu Versailles herübergeschafft, waren in dem ausgedehnten Park zur Schau gestellt, Symbole der Allmacht ihrer königlichen Besitzer, die in seliger Ahnungslosigkeit schwebten, was die Gedanken von Sklaverei und Unterdrückung betraf, die andere, weniger vom Glück Gesegnete mit dem Anblick der Tiere in ihren Käfigen verbanden.
    Sie fanden eine ruhige Bank unter einer Kastanie auf dem Kai am Flussufer. Ein paar Wochen zuvor hatten sie sich im Hause von Thérésias Onkel kennengelernt. St. Germain hatte den Mann besucht, der als eifriger Orientalist bekannt war und eine beträchtliche Sammlung von Handschriften aus dieser Region besaß. Im Salon der Madame Geoffrin waren sie einander wiederbegegnet – zufällig, wie er zunächst gedacht hatte, aber dann war er nicht mehr so sicher gewesen, denn im Laufe des Abends waren ihre Fragen immer persönlicher geworden. Nicht, dass es ihn gestört hätte: Thérésia de Condillac war eine sehr begehrenswerte Frau, gesegnet mit einer strahlenden Weiblichkeit, und überdies eine kinderlose, wohlhabende Witwe, der es nicht an Freiern mangelte, vor deren Avancen sie nicht

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