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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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gelang ihr, sich in ein ungesichertes Netzwerk in ihrer Reichweite einzuloggen. Nach kurzer Suche hatte sie die Stadt auf einer Landkarte gefunden, sie lag südlich von Bagdad.
    Evelyn hatte offensichtlich mehrere Manuskripte in der Kammer gefunden. Aus ihren Aufzeichnungen ging hervor, dass der Stil der Texte an die einer Geheimgesellschaft aus derselben Zeit erinnerte – eine Gruppe von Gebildeten, Gnostikern, die sich «Brüder der Reinheit» nannten und die ebenfalls im südlichen Irak beheimatet waren. Mehrere Seiten der Notizen handelten von Nachforschungen in dieser Richtung. Überall waren nachträgliche Einfälle vermerkt, zusätzliche Markierungen und Pfeile, die einzelne Sätze miteinander verbanden. Mia notierte sich den Namen des Geheimzirkels und nahm sich vor, sich später noch einmal darum zu kümmern. Manche Wörter waren eingekreist oder unterstrichen. Ihr Blick fiel auf die Frage Ableger der Bruderschaft? , gekennzeichnet mit einem dicken Fragezeichen.
    Sie blätterte um und sah eine eingekreiste Passage. Sie lautete: Andere Schriften passen, aber hier keine Erwähnung von Ritualen oder Liturgie. Warum nicht? Auf den Rand der gegenüberliegenden Seite, neben gekritzelte Notizen und Daten, hatte Evelyn geschrieben: Glaubenssätze? und Ketzer? Deshalb versteckt? Und wieder gab es große, nachdrückliche Fragenzeichen.
    Mia studierte die Seite sehr aufmerksam. Evelyn hatte Gemeinsamkeiten zwischen den Schriften der Bruderschaft und denen aus der Kammer entdeckt. Eine Sache aber fiel ihr ins Auge: Nichts von dem, was in der Kammer zurückgelassen worden war, ließ auf die spirituellen Überzeugungen ihrer Benutzer schließen.
    Auf den nächsten Seiten war Evelyns Forschungsstand zum Uroboros festgehalten. Mia kehrte noch einmal zurück zu den Fotokopien der diversen Abbildungen, die ebenfalls gekritzelte Anmerkungen enthielten.
    Anscheinend gab es ebenso viele Interpretationen dieses Symbols, wie es Kulturen gab, die es gekannt hatten. Für manche war es eine Darstellung des Bösen, aber andere – und das waren viel mehr – betrachteten es als positiv besetztes Symbol, ein Symbol der Hoffnung. Darüber war Mia ein wenig verblüfft, denn es passte nicht zu dem schleichenden Unbehagen, das sie beim Anblick der Schlange empfand.
    Evelyn hatte Dutzende von Verweisen aus der gesamten Geschichte zusammengetragen, angefangen bei den alten Ägyptern und Plato bis hin ins neunzehnte Jahrhundert zu dem deutschen Chemiker Friedrich Kekulé von Stradonitz. Dieser hatte die ringförmige Molekularstruktur des Benzols entdeckt, nachdem er, wie er behauptete, von einer Schlange geträumt hatte, die ihren eigenen Schwanz fraß. Ihr letzter Eintrag galt Carl Gustav Jung, der in der Schlange eine archetypische Versinnbildlichung der menschlichen Psyche sah und ihre spezielle Bedeutung für die Alchemisten studierte. Es gab sogar – Mia sah es mit einem Kloß im Hals – eine phönizische Version: einen schwanzfressenden Drachen, der in einen ihrer Tempel eingemeißelt war.
    In alldem stieß Mia auf ein immer wiederkehrendes Thema, das ihren Instinkten widersprach. Es war das Thema der Kontinuität: Die Schlange stand für die zyklische Wiederkehr der Natur, den endlosen Kreislauf von Leben und Tod, die urzeitliche Einheit aller Dinge. Aufmerksam betrachtete sie ein Blatt mit der nahezu pastoralen Darstellung eines geflügelten Uroboros in einem Garten mit einem Engel in der Mitte.
    Mia starrte das Bild an und versuchte zu verstehen, was sie gerade gelesen hatte. Irgendetwas daran störte sie. Sie musste an ihre Unterhaltung mit Corben über die Motive des Hakim denken. Das Symbol enthielt nichts Besorgniserregendes – aber das brauchte es auch nicht, oder? Schließlich war auch das Hakenkreuz im Fernen Osten seit der Steinzeit ein Glückssymbol. Erst Hitler hatte es in etwas Monströses verwandelt. Konnte es in diesem Fall genauso sein? Corben hatte immer wieder betont, der Hakim sei wahnsinnig. Aber was wäre, wenn er tatsächlich nach einem vergessenen Virus suchte, nach einem Gift, einer Seuche?
    Irgendwie schienen diese antiken Stücke etwas Unheilvolles, Bösartiges auszustrahlen. Mia fragte sich, warum, da doch das meiste, was sie über das Symbol des Schwanzfressers gelesen hatte, eher das Gegenteil zu besagen schien. Vielleicht war das nur eine erste spontane Reaktion, die aus der instinktiven Angst resultierte, die der Archetyp in den meisten Menschen erweckte. Vielleicht lag es auch an dem Kontext, in dem

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