Immortals After Dark 12 - Lothaire
Essen, das gerade auf dem Herd kochte, drang zu ihr herüber. Auch wenn es nicht länger ihren Appetit anregte, roch es doch nach zu Hause.
Wie sollte sie diesen Berg nur je wieder verlassen können? Sie wusste, dass sie nicht bleiben konnte, aber wohin sollte sie gehen?
Ellie dachte kurz darüber nach, an einem der exotischen Orte zu wohnen, die Lothaire ihr gezeigt hatte.
Und wie genau würde ich auf Bora Bora an Blut kommen?
Oh, da war Josh! Er spielte mit einigen seiner Cousins auf einer kaputten, verrosteten Schaukel.
Wie groß er geworden ist!
Das Kastanienrot in seinem dunklen Haar war ausgeprägter als bei ihr, aber ihre Augen hatten dieselbe Farbe.
Wie sie ihren kleinen Bruder vermisst hatte! Während sie ihn beobachtete, verlor sie sich in Erinnerungen. Sie sah ihn als pummeliges Kleinkind vor sich, wie er auf seinen wackeligen Beinchen durch den Trailer gestapft war, das eigensinnige Kinn vorgereckt.
Tränen traten ihr in die Augen, liefen über …
»
Hände dahin, wo ich sie sehen kann, oder ich schieß dir deinen verdammten Kopf ab!
«
Onkel Ephraim. Im Wald hinter ihr.
Sie erstarrte.
Oh mein Gott!
So viel also zu ihrem Plan, keinen Kontakt zu der Familie aufzunehmen.
Ihr Onkel hatte einen sehr nervösen Abzugsfinger. Sie fragte sich, ob sie sich wohl davontranslozieren könnte, ehe seine Kugel sie durchlöcherte.
Aber wohin denn, Ellie?
»Hände hoch, hab ich gesagt!«
Sie ließ ihre Tüte fallen und hob die Hände. »Ich bin’s, Onkel Eph. Ellie.« Sie drehte sich langsam um und nahm die Kapuze ab.
Sein wettergegerbtes Gesicht wurde blass, sein breiter Unterkiefer sank herunter, während er sein Gewehr sinken ließ.
»Ruth!«, brüllte er in Richtung Trailer. »Ruth, komm schnell, deine Tochter verliert ihre Augen!«
»Was?«, schrie Ellie. Oh, die Tränen! »Warte mal, mit meinen Augen ist alles in Ordnung! Ruf sie nicht …«
Zu spät. Mama kam in ihren Hausschuhen herausgerannt und wäre beinahe die Stufen hinuntergefallen.
»Was ist los?« Sie schob sich das dichte rote Haar aus dem Gesicht und warf ihre Zigarette fort.
Ephraim legte Ellie seine schwielige Hand auf die Schulter. »Bleib ganz ruhig, Mädchen. Wir bringen dich im Handumdrehen ins Krankenhaus.«
»Mir geht’s gut. So weine ich jetzt nun mal.« Als ob das irgendeinen Sinn ergäbe.
Aber als ihre Mutter sie erreichte, schüttelte sie nach einem einzigen Blick auf Ellie nur traurig den Kopf. »Ellie Ann, sind das etwa Tränen? Was hat dieser Kerl dir bloß angetan?«
Als Josh auf sie zugesprungen kam, wirbelte Ellie herum. »Schickt ihn weg. Ich will nicht, dass er mich so sieht.«
Mama fing ihn ab und scheuchte ihn zu seinen Freunden zurück. »Am besten kommst du erst mal rein«, sagte sie zu Ellie.
Sie nickte, und die drei trotteten schweigend zum Wohnwagen. Drinnen angekommen, dämmerte ihrer Mutter rasch, was passiert war, nachdem sie Ellie näher betrachtet hatte – die Tränenspuren, die schwarzen Klauen und kleinen Fänge.
»Oh, Ellie«, murmelte sie. »Weißt du denn nicht, dass man mit Flöhen aufwacht, wenn man sich mit Hunden schlafen legt?«
Sie weiß, was ich bin!
Wie würde sie reagieren?
Wird sie mich fortschicken? Sich angewidert abwenden?
»Das heißt aber noch lange nicht, dass ich mein von Flöhen zerbissenes Balg nicht mehr lieb hab.«
Ellie wurde vor Erleichterung ganz schummrig. Als Mama die Arme ausbreitete, war sie versucht, sich einfach hineinzuwerfen, doch sie beherrschte sich. »Ich kann noch niemanden umarmen. Ich bin jetzt irgendwie ziemlich stark.«
Ephraims Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. »Ellie, ich glaube, du hast uns eine Menge zu erzählen.«
Sie nickte ernst und ließ sich auf die schäbige Couch im Wohnzimmer sinken, sodass Hundehaare und Staubflocken aufflogen und im hereinströmenden Sonnenlicht dahinschwebten. Dann begann sie, von ihren neuen Fähigkeiten und ihrer Unsterblichkeit zu erzählen und ihrem Verlangen nach Blut …
Als sie fertig war, wirkte Ephraim vollkommen erschlagen. »Darüber muss ich erst einmal ein Weilchen nachdenken. Aber Tatsache ist: Du bist eine Peirce. Ganz egal, was sie aus dir gemacht haben. Und wir lassen niemanden im Stich, der zur Familie gehört. Also sag uns einfach Bescheid, wenn du«, er schluckte, »trinken musst oder so. Ich geh auf die Jagd und helfe euch, wo ich kann.«
Mama verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit finsterer Miene in ihrem Sessel zurück. »Ich will erst mal mehr über diesen
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