Immortals After Dark 12 - Lothaire
und den Schmuck stehlen könnte.
Aber ihr war nichts eingefallen.
Stattdessen hatte sie beschlossen, später noch loszuziehen auf eine kleine Einbruchstour. Hauptsache, es gelang ihr, ihre Familie aus der verdammten Mine rauszuholen …
Der Wohnwagen bebte, dass das heiße Fett aus der Pfanne schwappte. Als Josh mit weit aufgerissenen Augen aus dem Bad gerannt kam, folgte ein gewaltiger Knall.
Ellie und ihre Mutter sahen einander an. Sie wussten sofort, dass es nur eins gab, was eine derartige ungeplante Explosion auslösen konnte.
Es hatte einen weiteren Stolleneinbruch gegeben.
Kurz nach Nïx nickte auch Lothaire ein. Sein Kopf sackte nach vorn, die Augen zuckten hinter den Lidern hin und her.
Endlich träumte er einen ganzen Strom von Ellies Erinnerungen. Er fürchtete sich vor dem, was er sehen würde, öffnete sich jedoch rückhaltlos ihrer Vergangenheit …
Als ihr Vater gestorben war, war Ellie vor Kummer wie betäubt gewesen, doch sie hatte sich nur wenig Zeit gegönnt, um ihn zu betrauern. Stattdessen hatte sie unermüdlich gearbeitet, um sich ein besseres Leben für ihre Mutter und ihren Bruder aufzubauen.
Lothaire sah ein Beispiel nach dem anderen dafür, wie sie ihren Verstand nutzte und Fortschritte machte, bei der Arbeit, in der Schule. Und sie hatte Erfolge erzielt, es war immer besser gelaufen für sie.
Bis Lothaire und Saroya ihre ganze Existenz vernichtet hatten mit einem einzigen höllischen Jahr, das in der Nacht des Blutbads geendet hatte.
Darauf folgte die Zeit im Gefängnis. Lothaires Augen brannten, als er die allgegenwärtige Pfefferspraywolke wahrnahm, die über dem Trakt lag. Er fühlte ihren rasenden Herzschlag, wenn sie sich ruckartig in ihrem Bett aufsetzte, geweckt von den anderen Gefangenen, die in der Dunkelheit zischten, stöhnten, jammerten.
Ihre Unterlippe bebte, wenn sie an ihre Collegewimpel und die roten Wangen ihres Bruders dachte. Wie sehr sie sich danach sehnte, ihn aufwachsen zu sehen!
Aber in den ganzen fünf Jahren hatte sie sich nicht ein einziges Mal gestattet zu weinen.
Er erfuhr ihre Beinahe-Exekution am eigenen Leib: wie die Nadeln in ihre Adern gestochen wurden, dann ihre »Rettung« und Entführung an einen Ort, der ihr sogar noch schlimmer erschien.
Er erlebte seinen eigenen Hohn, als wären die Bemerkungen an ihn gerichtet gewesen. Er hatte sich über ihre Herkunft und ihre geliebte Familie lustig gemacht, hatte sie immer wieder verletzt. Wenn er sie wirklich jemals für ihre Intelligenz gelobt hatte, dann hatte sie jedenfalls keine Erinnerung daran.
Weder hatte er jemals seine hasserfüllten Kommentare zurückgenommen noch seine Fehler wiedergutgemacht.
Lothaire hörte ihre Gedanken.
Hält er mich immer noch für eine »zurückgebliebene und vulgäre Hinterwäldlerin«? In Gegenwart anderer würde er sich vermutlich meiner schämen.
Gott, das tut weh.
Nein, du bedeutest mir alles!
Er erlebte jene Nacht aus ihrer Sicht, in der er ihr gesagt hatte, er wolle sie behalten, er habe sie auserwählt. Er fühlte, wie Hoffnung in ihr aufkeimte, und später fühlte er ihren Kummer, als sie erkennen musste, dass er sie trotzdem töten und ihre Seele vernichten würde.
Zu Beginn ihres Martyriums durch Saroya hatte Elizabeth akzeptiert, dass sie sterben würde. Doch dann hatte sie sich erlaubt zu hoffen, zum ersten Mal seit der Nacht, in der er sie in den Todestrakt geschickt hatte.
Die zerschmetterte Hoffnung war das Schlimmste.
»Ich will nicht in deiner brutalen, total kranken Welt leben«, hatte Elizabeth ihm aufrichtig gesagt.
Warum sollte sie auch in diesem gewalttätigen Reich der Unsterblichen leben wollen – geschweige denn ihn als ihren Beschützer wählen? Er hatte ihr keinen Grund geliefert, ihm den Vorzug vor ihrer geliebten Familie zu geben, sondern einfach verfügt, dass sie sie niemals wiedersehen dürfe.
Nachdem er ihre Erinnerungen an ihre Familie gesehen hatte – wie sie mit ihnen lachte, sich schützend vor sie stellte, immer da war, um zu helfen –, erkannte er, wie lächerlich es von ihm gewesen war, zu erwarten, dass sie sie vergaß.
Umgekehrt hatte sich ihre Familie Elizabeth gegenüber ebenso loyal verhalten. Ohne eine einzige Frage zu stellen, hatten zwei ihrer Cousins Leichen für sie hinter der Scheune vergraben.
Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht – oder mich darum gesorgt –, was aus Saroyas Opfern wurde.
Elizabeth hatte ihm einmal erzählt, dass ihre Familie eine Einheit und ihr Berg quasi ein
Weitere Kostenlose Bücher