Immortals After Dark 12 - Lothaire
sie gerade denkt?
Vermutlich, weil ich es liebe, zu töten.
In dem offensichtlichen Versuch, das Thema zu wechseln, fragte sie: »Gehen dir die Opfer, die du auswählst, immer ins Netz?«
»In sechsundneunzig Komma vier Prozent der Fälle, ja.«
Sie presste die Lippen aufeinander. »Wie … langweilig.«
»Was hast du gesagt?«
»Wo bleibt denn da der Spaß? Wo bleibt die Überraschung?«
»Das Leben ist kein Spaß.«
»Für die meisten nicht, nehme ich an.« Sie lehnte sich auf dem Sofa zurück und zog die Beine unter sich. »Aber wenn ich so reich wäre wie du, hätte ich jede Menge Spaß.«
»Wenn du nicht so erbärmlich arm wärst, wüsstest du, dass man mit Geld kein Glück erkaufen kann.«
»Gesprochen wie ein Mann, der immer genug Kleingeld in der Tasche hat.«
»Was würdest du tun, wenn du ich wärst? Um Spaß zu haben?«
»Ich würde meiner Familie Geld abgeben, und ich würde reisen.« Sie blickte an die Decke, als ob sie sich gerade all die Orte vorstellte, an die sie reisen würde. »Ich würde mir die Welt anschauen: die Chinesische Mauer, die Pyramiden, das Great Barrier Reef. Oh Mann, ich würde zum allerersten Mal ans Meer fahren.«
Sie hatte die Appalachen noch nie verlassen, hatte nie das Meer gesehen, einen Strand. So etwas konnte er sich kaum vorstellen. Sie hatte keine Ahnung, wie das Meer roch, keine Ahnung, wie es sich anfühlte, wenn Wellen über ihre Füße schwappten. Wie sie wohl reagieren würde?
Vermutlich nicht so, wie er es von ihr erwartete. »Ich habe die ganze Welt gesehen, Elizabeth, mehrfach. Sie wird bei Weitem überschätzt. Und ich habe keine Familie, jedenfalls keine, die ich anerkenne.«
»Dann macht dir wohl nur noch das Lesen in deinem Buch Freude?« Sie fuhr das Muster des Sofastoffes nach; die roten Fingernägel strichen leicht darüber hinweg. »Was ist der letzte Eintrag darin?«
»Das muss ein Sterblicher namens Declan Chase sein. Falls er überlebt. Er ist derjenige, der die Erinnerungen an den Ring besitzt.«
»
Falls
er überlebt. Hast du ihm etwas angetan?«, fragte sie. Hatte sie gerade ein Gähnen unterdrückt?
»Nicht ich. Ein Dämon hat ihm gestern den Bauch aufgeschlitzt. Aber ich gab ihm mein Blut, um ihn unsterblich zu machen.«
»Ist das nicht eine ziemlich große Sache? Ich meine, wo dich doch immerzu irgendwelche Sterblichen
anflehen
, das zu tun. Ich glaube, du hast gesagt, es sei unbezahlbar.« Sie legte den Kopf auf die Sofalehne.
»Ich wollte unbedingt eine Verbindung mit ihm haben. Auch wenn ich vorgab, mich nur schwer von meinem Blut trennen zu können.«
Lothaire gedachte seiner List – ein einfacher, aber eleganter Plan – und dann des krönenden Abschlusses: Chase bewusstlos, sein Mund wurde mit Gewalt geöffnet und er gezwungen, das Blut eines Vampirs zu schlucken. Auch wenn der Klingenmann es als eine Schändung betrachtete, als Gift in seinen Adern …
»Jetzt kann ich ihn jederzeit und überall auf der Welt aufspüren«, fuhr Lothaire fort. »Ich kann seine Gedanken lesen, wenn er sich in der Nähe aufhält. Ja, Sterbliche, unter den richtigen Umständen kann ich sogar Gedanken lesen. Noch ein Gebiet, auf dem ich dir überlegen bin.«
Sie wird erstaunt nach Luft schnappen und beide Hände gegen ihre Schläfen pressen, aus lauter Angst, ich könnte gerade ihre Gedanken lesen …
Stille. Er blickte zu ihr hinüber, und seine Hände ballten sich zu zitternden Fäusten.
Elizabeth schlief tief und fest.
Endlich hatte er sich geöffnet und tatsächlich mit jemandem geredet. Er hatte ihr sogar sein verdammtes Buch gezeigt – und sie schlief ein? Hatte er sie etwa
gelangweilt
?
Súka!
Er war versucht, sie mitten in einen dieser Käfige zu translozieren, in dem zur allgemeinen Belustigung gerade ein Kampf zwischen Ghulen stattfand. Mal sehen, ob das sie aufwecken würde!
Er ragte drohend über ihr auf, starrte auf sie hinab, vollkommen verwirrt von dem Verhalten dieses Menschen – und darüber, dass er es nie vorherzusagen vermochte.
Über das Pochen seines Herzens hinweg hörte er Elizabeths gleichmäßige Atemzüge. Im Schlaf wirkte sie weich, sogar noch jünger. So wunderschön, aber leider fehlte ihr jegliches Potenzial.
Sie schien halbwegs intelligent zu sein –
nur nicht, wenn sie mich herausfordert
–, doch abgesehen von ihrem Aussehen war an ihr nichts Bemerkenswertes, keinerlei Fähigkeiten, derer sie sich rühmen konnte. Sie besaß eine gewisse Neigung zur Athletik, was ihre ganzen Expeditionen in die
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