I#mNotAWitch 1
Grunde nie Hexen oder dergleichen gewesen waren. Bis vor einigen Jahren hatte ich die Theorien meiner Mutter auch grundsätzlich angezweifelt, natürlich ohne ihr gegenüber etwas darüber verlauten zu lassen. Aber nun, da auch noch Vampire in unsere absurde Welt eingetaucht waren, musste ich mich der Wahrheit stellen.
Es gab übersinnliche Fähigkeiten. Die hatte ich selbst an meinem eigenen Leib mitbekommen, als Jack mich über mehrere Kilometer in Blitzesschnelle zu sich nach Hause trug. Und als ich die Reißzähne sah, die sich in die Hälse der Frauen im Wald oder auch in Tylers Halsschlagader niederließen.
Also konnte es sehr gut sein, dass auch meine Vorfahren Hexen gewesen waren. Und es konnte genauso gut sein, dass auch wir noch Hexen waren. Aber was war mit unseren Kräften?
Und da leuchtete es mir endlich ein. Seit hundert Jahren konnten die Hexen in unseren Familien nicht mehr zaubern. Also warteten sie auf einen bestimmten Zeitpunkt, an dem sich alles veränderte.
Darum ging es ihnen also. Sie versammelten sich an Halloween, um ihre Kräfte zurückzuerlangen! Aber wie? Und wie sollte ich ihnen dabei eine Hilfe sein? Ich glaubte doch noch nicht einmal an den ganzen Quatsch. Jedenfalls hatte ich das bis vor kurzem nicht getan.
Deswegen war meine Mutter so versessen darauf gewesen, dass alle Familien an Halloween auftauchten. Und auch deswegen hatte sie mich geschlagen. Ihre Nerven lagen blank. Ihr allergrößter Wunsch sollte bald in Erfüllung gehen. Das, worauf sie ihr Leben lang hingearbeitet hatte, war nur noch wenige Stunden von ihr entfernt.
Und dann konnte sie endlich wieder eine richtige Hexe sein.
„Quinn? Was ist los?“, fragte Phoebe und sah mich neugierig an, während wir in der Bibliothek über den alten Büchern unserer Vorfahren saßen, die ihre Gedanken in einer unordentlichen Krakelschrift niedergeschrieben hatten.
Ich hatte mit mir selbst gesprochen, stellte ich fest. Alle anderen starrten mich ebenfalls gespannt an. Selbst Bailey, die in den letzten Tagen noch ruhiger und schüchterner geworden war als sonst.
„Nichts.“ Ich schüttelte schnell den Kopf. Aber bevor sich die Jugendlichen wieder ihren Unterlagen widmen konnten, beschloss ich doch, meine Gedanken mit ihnen zu teilen. „Ich habe mir nur gerade vorgestellt, was unsere Vorfahren alles gezaubert haben. Was konnten sie alles tun? Und gab es überhaupt irgendwelche Grenzen?“
Auf Colins Lippen bildete sich ein amüsiertes Grinsen. „Es gab bestimmt kaum Grenzen. Bis auf“, er warf einen raschen Blick zu Bailey, „die Wiederbelebung von Toten. Das war natürlich nicht möglich.“
„Und sonst?“, fragte ich.
Ich hatte mir nie genaue Gedanken darüber gemacht. Es schien einfach nicht wichtig für mich zu sein. Schließlich besaß ich keine Kräfte. Also fand ich es unnötig, darüber nachzudenken, was für ein Leben ich mit den Kräften führen könnte. Falls ich sie denn überhaupt wollte.
Erneut antwortete Colin: „Die Hexen konnten früher kranke Menschen heilen. Dabei verzauberten sie ihre Tinkturen. Außerdem konnten sie Liebe und Angst und Wut – also Gefühle – heraufbeschwören. Sie konnten sich mit magischen Gegenständen von einem Ort zum nächsten zaubern.“
„Meinst du mit einem Hexenbesen?“, kicherte Amber.
„Nein.“ Colin schüttelte seine schulterlangen, schwarzen Haare. „Mit Amuletten. Und sie waren so mächtig, dass sie über das Wetter bestimmten, mit ihren eigenen Gedanken und Emotionen. Sie beschwörten sogar Geister und“, wieder blickte er in Baileys Richtung, „Tote.“
Das klang ja alles wie aus einem schlechten Film. Oder Buch.
„Das sind wirklich unglaubliche Geschichten. Wer hat dir davon erzählt?“, fragte ich Colin.
Er lächelte und legte das Buch, das er bis jetzt in seinen Händen gehalten hatte, auf den großen Tisch aus Nussbaum, um den wir alle versammelt saßen.
„Ich habe mal meine Eltern belauscht, als sie darüber gesprochen haben. Aus irgendeinem verrückten Grund wollen sie ja nicht, dass wir gleich alles über unsere Kräfte und Möglichkeiten erfahren. Doch ich konnte einiges mitanhören. Das hätte dich bestimmt auch interessiert, Quinn“, wisperte er und betonte seinen letzten Satz so sehr, dass ich natürlich sofort begriff. Er wusste etwas, das ich mir noch nicht einmal in meinen kühnsten Träumen vorzustellen vermochte. Genauso wie Phoebe und Samuel.
Wussten etwa alle etwas darüber? Selbst die fünfjährigen Zwillinge?
Na ja, ich
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