I#mNotAWitch 1
einem Mal drehte sie sich um und verließ wortlos die kleine Kammer.
„Du bist feige!“, wollte ich schreien. „Warum sagst du mir nicht endlich, was du von mir willst? Warum verheimlichst du mir alles und riskierst damit den Tod eines unschuldigen Jungen? Und warum verheimlichst du mir noch immer alles, obwohl du gesehen hast, dass deine Pläne nur zu Katastrophen führen?“ Aber ich schwieg und schluckte meinen Ärger herunter.
Phoebe und Samuel standen auf alle Fälle hinter mir. Und wenn ich nur selbst stark genug blieb, würde ich hoffentlich alles überstehen. Irgendwann, in zehn, zwanzig Jahren, würde ich zurückdenken und darüber lachen, dass ich mir als Jugendliche so viele Sorgen über meine Zukunft gemacht hatte. Dann wäre ich endlich frei. Und glücklich.
Aber was, wenn ich bis dahin nicht mehr lebte?
Ich verscheuchte diesen schlimmen Gedanken und konzentrierte mich auf das Wichtigste. Erst einmal weitermachen. Die Zukunft kannte niemand. Und schon gar nicht der normale Nachbar von nebenan. Wenn ich so normal sein wollte, brauchte ich mir auch nicht den Kopf über Gefahren zu zerbrechen, die vielleicht gar nicht existierten.
Kapitel 14
Ich lag in meinem Bett und versuchte einzuschlafen, als ich das leise Klopfen an meiner Fensterscheibe hörte. Mit schmerzenden Gelenken richtete ich mich auf und blinzelte hinüber. Ein Schatten bewegte sich hinter meinem Fenster und schlug erneut gegen das Glas.
Ach, das konnte doch nicht sein. War das etwa Jack? Ich hatte nach der ganzen Aufregung vergessen, dass er diese Nacht zurückkommen wollte.
Einen kurzen Herzschlag lang überlegte ich mir, ob ich ihn hereinlassen sollte. Sofort verwarf ich den Gedanken wieder und stand von meinem Bett auf. Jack hatte nichts mit Tylers Ermordung zu tun. Ganz sicher nicht.
„Oh, ich habe nicht daran gedacht, dass du schlafen willst“, murmelte er, nachdem ich ihm das Fenster geöffnet hatte. Belustigt betrachtete er meinen rosafarbenen Pyjama.
„Die meisten Nächte lege ich mich schlafen, weißt du. Das ist nichts Ungewöhnliches. Auch nicht für uns Hexen.“
Sogleich merkte er, dass etwas mit meinem Ton nicht stimmte. Ich klang einfach viel zu steif. Er begleitete mich hinüber zu meinem Bett und ließ sich neben mich auf die Matratze fallen.
„Dir geht’s nicht gut“, stellte er fest.
Ich beschloss, ihm die knallharte Wahrheit ins Gesicht zu sagen. „Ja. Ich musste am Nachmittag mitansehen, wie ein Freund von mir von zwei Vampiren umgebracht wurde. Deshalb geht es mir überhaupt nicht gut.“ Ich wusste, dass er wahrscheinlich nichts dafür konnte, doch der Vorwurf hallte trotzdem in meiner Stimme wider.
„Vampire? Am Nachmittag?“ Jack klang ehrlich erschrocken. „Aber das kann gar nicht sein! Was waren das für welche? Haben sie dir etwas angetan?“
„Mir ist nichts passiert“, beruhigte ich ihn schnell. „Doch sie haben einen Freund von mir getötet. Vor meinen Augen.“
Er sprang wieder auf die Beine und lief verwirrt hin und her. „Hast du irgendetwas von ihnen mitbekommen? Ihre Namen vielleicht?“
„Wyatt. So hieß der eine.“ Und der andere? Ich versuchte mir seinen Namen erneut ins Gedächtnis zu rufen. Am Ende hatte Wyatt ihn direkt angesprochen, den Vampir mit den goldenen Zeichnungen auf den Wangen. Wie hatte er ihn genannt? Wyatt sprach darüber, dass sie uns eine Warnung verpassen mussten. Nur wenige Augenblicke später schnappte sich der andere Vampir den Schürhaken und... Ich schloss meine Augen, als könnte ich die Bilder dadurch vertreiben. „Chase“, hauchte ich. „Das war der andere.“
„Wyatt und Chase?“ Jack blieb vor mir stehen und dachte angestrengt nach. „Diese Namen kenne ich irgendwoher. Hm.“ Er setzte sich zurück neben mich und griff nach meiner Hand. „Ich werde Madison fragen, ob sie etwas mit den Namen anfangen kann. Sie kennt sich mit der ganzen Vampirgesellschaft am besten aus.“
Ich zog meine Hand langsam zurück. „Weißt du was, Jack, ich mag dich wirklich gerne. Aber in nächster Zeit kann ich dich einfach nicht mehr treffen. Es sind jetzt so viele Dinge passiert, um die ich mich kümmern muss. Da kann ich nicht auch noch die Freundschaft zu dir aufrecht erhalten. Tut mir leid. Insbesondere nicht nach dem, was heute Nachmittag alles passiert ist.“
Er konnte nichts dafür, dennoch war er ein Vampir. Und vielleicht wollte ja meine Mutter, dass ich seine Artgenossen weiter ausspionierte, doch ich hatte absolut keine Lust mehr darauf.
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