I#mNotAWitch 1
wirklich davon beeinflussen zu lassen.
Sofort hatte ich eine kleine Freundin gefunden, namens Naomi, die zwei blonde Zöpfe hatte und einen roten Pulli mit einem Schneemann vorne drauf trug. Als ich am Abend meiner Mutter von ihr erzählte, schüttelte sie entschieden den Kopf und sagte, dass ich das Mädchen nicht mit nach Hause nehmen durfte. Trotzdem spielte ich in den nächsten Wochen weiterhin mit Naomi, bis sie andere Freundinnen fand, die sie auch zu sich nach Hause einluden, zu Geburtstagsfeten und Übernachtungspartys.
Aber nicht alles war schlimm mit meiner Mutter. Auch wenn ich mich immer beschwerte, gab es häufig sonnige Tage, die wir alle gemeinsam in ihrem Kräuter- und Gemüsegarten verbrachten. Wir lernten, selbst Eis herzustellen, aus so vielen unterschiedlichen Obstsorten, dass wir immer stundenlang in der Küche herumhingen.
Und wir hatten immer jemanden, mit dem wir reden konnten. Eben, weil wir so viele waren. Wenn wir alleine sein wollten, durften wir den ganzen Tag in unserem Zimmer verbringen. Doch im Gegenzug erwartete unsere Mutter, dass wir zu den Unterrichtsstunden in der Bibliothek erschienen.
Und so lief es Jahre lang, ohne Ausnahme. Immer wieder begrüßten wir Mutters Freunde, die Brandons und Elliots und Fishers und Hathaways und Kents, feierten den Hexensabbat, so wie meine Mutter es von uns verlangte.
Bis heute.
Warum hatte ich mir immer ein normales Leben gewünscht? Was hatte ich mir davon erhofft?
Im Grunde wollte ich nur nach draußen gehen dürfen, wann immer ich es wollte. Ich wollte ins Kino und Theater, wollte das Internet ausprobieren und ein Handy besitzen, ich wollte mich mit anderen Schülern in Cafés treffen, tratschen, lachen. Irgendwann erhoffte ich mir eine eigene Wohnung zu beziehen, vielleicht in einer völlig anderen Stadt, weit entfernt von Bethel, vielleicht sogar in Kanada oder den USA oder sogar Afrika, Italien, Indien.
Hin und wieder hockten Phoebe und ich in der Bibliothek über einer Weltkarte, tippten auf die Orte, die wir gerne einmal besuchen wollten. In der Schule hatten wir über viele Länder Dokumentationen gesehen und Texte gelesen. Ich hatte mich niemals entscheiden können, nicht so wie Phoebe, die nach Australien wollte, wegen der vielen Kängurus und des guten Wetters, wie sie mir immer versicherte. Ach ja, und der Koalabären. Sie liebte Koalabären.
Und jetzt? Was würde jetzt mit mir geschehen?
War ich tot? Würde ich direkt in die Hölle gelangen?
Meine Gedanken und Erinnerungen vermischten sich zu einem seltsamen Strudel, begannen mich immer weiter hineinzuziehen, zurück in die Vergangenheit, zurück in eine Zeit, in der es noch keine Vampire und Teufel gegeben hatte, jedenfalls nicht für mich.
Wünschte ich mir jene Zeit zurück?
Durch meinen Körper pumpte Blut, Feuer, meine Adern schienen sich wie Schlangen zu räkeln, vor irgendetwas zurückzuweichen, denn sie krallten sich gegen meine Haut.
Wieder hörte ich ein lautes Jammern, Stimmen, die durcheinander redeten, und ich fragte mich: Warum bin ich noch bei Bewusstsein? Warum bekomme ich das alles mit? Mein Herz schlägt doch schon lange nicht mehr, oder?
Erneut lauschte ich in mich hinein, suchte nach dem vertrauten rhythmischen Flattern, Hämmern, Pochen, aber da war rein gar nichts. Nur eine gähnende Leere.
Und trotzdem war mein Verstand noch intakt. Oder war es die Seele, die noch vom Tod abgeholt werden musste? Vielleicht ging es ja jedem Menschen so, der gerade sein Leben verloren hatte.
Plötzlich erinnerte ich mich auch daran.
An Aidens fiebrigen Blick, an seine Zähne, die im Kerzenlicht blitzten und funkelten. Warum hatte er das getan? Hatte er mich nie geliebt? Oder wenigstens gemocht?
Es war ihm von Anfang an nur um mein Blut gegangen. Hatte er es nicht zugegeben? Direkt zu Beginn?
Ja, er hatte immer wieder gesagt, dass er sich nach meinem Blut verzehrte. Selbst in jener Nacht, in der er neben mir auf meinem Bett gelegen hatte. Und ich hatte ihn abwimmeln müssen, weil ich es nicht wollte.
Und seinetwegen hätte ich fast einen Holzpflock entgegen genommen? Nur um ihn zu schützen? Wie dumm ich doch gewesen war. Wie naiv.
Dieses warme Gefühl, das sein Name in meiner Brust ausgelöst hatte, wich einem kalten Zittern, das von meinem ganzen Körper Besitz ergriff. Ich hasste ihn. Er hatte mich umgebracht.
Immer wieder spielten mir meine Gedanken diesen letzten Moment vor. Seinen Verrat. Und ich lachte mich innerlich selbst aus, weil ich ihm vertraut
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