Imperator 01 - Die Tore von Rom
voran hinausgetragen und vorsichtig auf den offenen Wagen gelegt wurde, der ihn zum Scheiterhaufen bringen sollte. Die Menge wartete, die Köpfe im Gebet oder in Gedanken gesenkt, während Gaius ernst zu dem Leichnam schritt.
Er schaute in das Antlitz, das er sein ganzes Leben lang gekannt und geliebt hatte, und versuchte, sich daran zu erinnern, wie es war, als sich die Augen noch hatten öffnen können und die starke Hand ihn an der Schulter berührt oder ihm die Haare zerzaust hatte. Diese Hände lagen jetzt reglos neben dem Körper, die Haut war sauber und glänzte von Öl. Die Wunden aus dem Kampf um die Mauern waren unter den Falten der Toga verborgen, doch es war kein Hauch von Leben mehr in ihm. Kein Atem hob und senkte seine Brust; die Haut sah irgendwie falsch aus, viel zu blass. Er fragte sich, ob sie sich kalt anfühlte, konnte die Hand jedoch nicht ausstrecken.
»Lebwohl, mein Vater«, flüsterte er und verlor fast die Fassung, als der Kummer ihn wieder zu übermannen drohte. Doch da er wusste, dass die Menge ihn beobachtete, riss er sich zusammen. Dem alten Mann keine Schande machen. Einige von ihnen waren alte, ihm unbekannte Freunde, andere waren bestimmt Aasgeier, die gekommen waren, um sich ein Bild von seiner Schwäche zu machen. Bei diesem Gedanken verspürte er einen zornigen Stich, der ihm half, seine Trauer zu ersticken. Er ergriff die Hand seines Vaters und neigte den Kopf. Die Haut fühlte sich an wie Stoff, lag rau und kühl in der seinen.
» Conclamatum est «, sagte er laut, und die Menge wiederholte die Worte murmelnd.
Er trat zurück und beobachtete schweigend, wie seine Mutter sich dem Mann näherte, der ihr Gatte gewesen war. Er konnte sehen, wie sie unter dem schmutzigen Wollumhang am ganzen Leibe bebte. Ihr Haar war nicht von den Sklaven hergerichtet worden und stand wirr und unordentlich vom Kopf ab. Ihre Augen waren blutunterlaufen und ihre Hand zitterte, als sie seinen Vater ein letztes Mal berührte. Gaius erstarrte und hoffte, sie würde das Ritual ohne Peinlichkeit zu Ende bringen. Weil er so nahe stand, konnte er als Einziger die Worte hören, die sie sprach, als sie sich dicht zum Gesicht seines Vaters hinunterbeugte.
»Warum hast du mich alleine gelassen, mein Liebster? Wer wird mich jetzt zum Lachen bringen, wenn ich traurig bin, wer wird mich in der Dunkelheit umarmen? Es ist nicht das, wovon wir geträumt haben. Du hast mir versprochen, immer bei mir zu sein, wenn ich müde und wütend auf die Welt bin.«
Sie begann bebend zu schluchzen, und Tubruk gab der Pflegerin, die er für sie angestellt hatte, ein Zeichen. Genau wie die Ärzte hatte auch sie keine Besserung ihrer körperlichen Verfassung bewirkt, doch Aurelia schien bei der römischen Matrone Trost zu finden, vielleicht auch nur der weiblichen Gesellschaft wegen. Für Tubruk war das Grund genug, sie weiterzubeschäftigen. Er nickte, als sie Aurelia sanft am Arm nahm und in das verdunkelte Haus führte.
Gaius atmete langsam aus und wurde der Menge wieder gewahr. Tränen traten ihm in die Augen, doch er achtete nicht darauf und ließ sie einfach an den Wimpern hängen.
Tubruk kam auf ihn zu und sprach leise zu ihm. »Sie wird wieder gesund«, sagte er, aber sie wussten beide, dass das nicht stimmte.
Einer nach dem anderen traten die Trauernden vor, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen, und nicht wenige wechselten danach ein paar Worte mit Gaius, priesen seinen Vater und forderten ihn auf, sie in der Stadt aufzusuchen.
»Er war immer ehrlich zu mir, auch wenn anderswo mehr Profit zu machen gewesen wäre«, sagte ein grauhaariger Mann in einer groben Toga. »Ihm gehörte ein Fünftel meiner Läden in der Stadt, und er hat mir das Geld geliehen, um sie zu kaufen. Er war einer der seltenen Menschen, dem man in allem trauen konnte, und er war stets gerecht.«
Gaius drückte seine Hand. »Vielen Dank. Tubruk vereinbart einen Termin mit dir, dann reden wir über die Zukunft.«
Der Mann nickte. »Wenn er mich beobachten kann, dann möchte ich, dass er sieht, dass ich ehrlich zu seinem Sohn bin. Das, und noch viel mehr, bin ich ihm schuldig.«
Andere folgten ihm, und mit Stolz sah Gaius die ungespielte Trauer, die sein Vater hinterlassen hatte. In Rom gab es eine Welt, die sein Sohn nie gesehen hatte, doch sein Vater war ein anständiger Mensch gewesen, und das war ihm wichtig: Die Stadt war ärmer geworden, weil sein Vater nicht mehr durch ihre Straßen ging.
Einer der Trauergäste war in eine saubere Toga
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