Imperator 01 - Die Tore von Rom
Hand. Es war das Ende der Kindheit, während er noch ein Kind war. Die Stadt rief ihn, und er fühlte sich noch nicht dazu bereit. Der Senat rief ihn, und er hatte schreckliche Angst. Doch er würde das Andenken seines Vaters nicht enttäuschen und sich den Herausforderungen stellen, wenn sie auf ihn zukamen. In drei Wochen würde er das Gut verlassen und Rom als Bürger betreten, als Mitglied der Nobilitas.
Endlich konnte er weinen.
12
»Rom – die größte Stadt der Welt«, sagte Marcus und schüttelte verwundert den Kopf, als sie die weite, gepflasterte Fläche des Forums betraten. Riesige Bronzestatuen blickten auf die kleine Gruppe herab, die ihre Pferde durch die geschäftigen Passanten lenkte.
»Man merkt erst wirklich, wie groß das alles ist, wenn man ganz nah dran ist«, meinte Cabera, dessen übliches Selbstvertrauen einen Dämpfer erhalten hatte. Die Pyramiden in Ägypten hatte er größer in Erinnerung, doch die Menschen dort schienen mit ihren Grabmälern immer nur in die Vergangenheit zu schauen. Hier waren die großen Bauten für die Lebenden bestimmt, und er spürte den Optimismus, der darin lag.
Auch Alexandria sah überwältigt aus, obwohl das zum Teil daran lag, wie sehr sich alles in den fünf Jahren verändert hatte, seit sie Gaius’ Vater für die Arbeit in der Küche gekauft hatte. Sie fragte sich, ob der Mann, dem ihre Mutter gehört hatte, immer noch irgendwo in der Stadt lebte, und schauderte, als sie sich an sein Gesicht erinnerte und daran, wie er sie behandelt hatte. Ihre Mutter war nie frei gewesen und als Sklavin gestorben, nachdem sie und einige andere in den Sklavenverschlägen unter einem der Verkaufshäuser Fieber bekommen hatten. Solche Seuchen kamen recht häufig vor; die großen Sklavenauktionshäuser waren gewohnt, jeden Monat einige Leichen für ein paar Münzen an die Aschenmacher zu verkaufen. Doch sie erinnerte sich daran, und in ihren Träumen drückte die wächserne Stille ihrer Mutter immer noch gegen ihre Arme. Sie schauderte erneut und schüttelte den Kopf, als wolle sie ihn so freibekommen.
Ich werde nicht als Sklavin sterben , dachte sie insgeheim, und Cabera drehte sich zu ihr um, als hätte er ihren Gedanken gehört. Er nickte und zwinkerte, und sie lächelte ihm zu. Er war auch einer, der nirgendwo richtig hinzugehören schien, ganz gleich, wo er sich befand.
Ich werde etwas Nützliches erlernen, damit ich Dinge herstellen und verkaufen kann, um mich dann später selbst freizukaufen , dachte sie und kümmerte sich nicht darum, dass die Pracht des Forums auch auf sie einen großen Eindruck machte. Wer würde an einem solchen Ort, der aussah, als sei er von Göttern errichtet worden, nicht ins Träumen geraten? Wenn man eine Hütte ansah, konnte man sich vorstellen, wie sie gebaut worden war, aber wer konnte sich vorstellen, wie diese Säulen errichtet worden waren? Alles strahlte und war unberührt von dem Dreck, an den sie sich erinnerte: enge schmutzige Straßen und hässliche Männer, die ihre Mutter stundenweise mieteten, während das Geld an den Besitzer des Hauses ging.
Auf dem Forum gab es weder Bettler noch Huren, nur wohlgekleidete, saubere Männer und Frauen, die kauften, verkauften, aßen und tranken und über Politik und Geld diskutierten. Auf jeder Seite sprangen dem Auge gewaltige Tempel aus prächtigem Stein entgegen; riesige, an beiden Enden vergoldete Säulen; große Bögen, die zu Ehren militärischer Triumphe errichtet worden waren. Hier schlug das wahre Herz des Imperiums. Jeder von ihnen spürte das. Hier herrschten Selbstsicherheit und Arroganz; während der größte Teil der Welt noch im Dreck lebte, verfügten diese Menschen hier über Macht und unglaublichen Reichtum.
Das einzige Anzeichen für die jüngsten Unruhen war die unübersehbare Anwesenheit grimmig dreinblickender Legionäre, die an jeder Ecke auf Posten standen und die Menge mit kalten Augen beobachteten.
»Das alles hier dient nur dazu, dass die Menschen sich klein vorkommen«, murmelte Renius.
»Aber es wirkt überhaupt nicht so!«, fuhr Cabera fort und blickte sich staunend um. »Es erfüllt mich mit Stolz, dass der Mensch so etwas bauen kann. Was für ein wunderbares Geschlecht wir doch sind!«
Alexandria nickte schweigend. Dies hier war ein Beweis dafür, dass man alles erreichen konnte; vielleicht sogar die Freiheit.
Aus Hunderten von kleinen Läden rings um den Platz priesen kleine Jungen die Waren und Dienstleistungen ihrer Herren: Barbiere, Tischler,
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