Imperator 01 - Die Tore von Rom
sehen … Es liegt in den Händen der Götter, wie immer.«
Ein paar Sekunden lang machten alle traurige Gesichter. Nichts blieb je so, wie es war.
»Kommt jetzt«, sagte Renius schroff. »Zeit zum Schlafen. In ein paar Stunden wird es hell, und wir haben alle einen langen Tag vor uns.«
Ein letztes Mal reichten sie sich schweigend die Hände und kehrten in ihre Zelte zurück.
Als Gaius am nächsten Morgen erwachte, waren Marcus und Renius schon fort.
Neben ihm lag, ordentlich zusammengefaltet, die Toga virilis , das Gewand des erwachsenen Mannes. Er sah sie lange an und versuchte sich daran zu erinnern, was ihm Tubruk über das richtige Anlegen dieses Kleidungsstücks beigebracht hatte. Die Tunika eines Jungen war viel einfacher anzuziehen, und der tiefe Saum der Toga würde schnell schmutzig werden. Die Botschaft dahinter war einfach und unmissverständlich: Ein Mann kletterte nicht auf Bäume und stapfte nicht durch schlammige Flüsse. Die Tollheiten des Halbwüchsigen musste er jetzt hinter sich lassen.
Bei Tageslicht konnte man sehen, wie sich die großen Zehnmannzelte bis weit in die Ferne erstreckten. Die ordentlichen Reihen zeigten die Disziplin der Männer und ihres Legaten. Marius hatte fast einen ganzen Monat damit zugebracht, eine sechs Meilen lange Route durch die Stadt auszuarbeiten, die vor den Stufen des Senats endete. Aller Unrat war vom Pflaster der Straßen gewaschen worden, doch es war trotzdem eine enge und gewundene Strecke, auf der nur sechs Legionäre oder drei Pferde nebeneinander Platz hatten. Damit ergaben sich fast elfhundert Reihen von Männern, Pferden und Ausrüstung. Nach einem langen Streit mit seinen Pionieren hatte Marius zugestimmt, die Belagerungsmaschinen im Lager zu lassen – man hätte sie einfach nicht um die schmalen Ecken herumbekommen. Schätzungen zufolge würde der Marsch drei Stunden dauern, und das nur, falls es nirgendwo Staus oder sonstige Verzögerungen gab.
Als Gaius gewaschen und angezogen war und etwas gegessen hatte, war die Sonne bereits über den Horizont gestiegen. Die gewaltige, glänzende Menge der Soldaten hatte ihre Positionen eingenommen und war fast abmarschbereit. Gaius hatte die Anweisung erhalten, sich eine vollständige Toga und Sandalen anzuziehen und seine Waffen im Lager zu lassen. Nachdem er so lange das Rüstzeug eines Legionärs mit sich herumgetragen hatte, fühlte er sich so ganz ohne Ausrüstung etwas wehrlos, aber er gehorchte. Marius selbst würde auf einem Thron sitzen, der auf einer offenen flachen Kutsche stand, die von sechs Pferden gezogen wurde. Er wollte eine purpurne Toga tragen, eine Farbe, die nur einem Legaten während eines Triumphzuges zustand. Der Farbstoff war unglaublich teuer, weil er aus seltenen Muscheln gewonnen und destilliert wurde. Diese Toga war ein Kleidungsstück, das man nur ein einziges Mal trug, zudem war Purpur die Farbe der alten Könige von Rom.
Wenn er durch das Tor der Stadt fuhr, würde ein Sklave einen vergoldeten Lorbeerkranz über seinen Kopf recken und ihn dort während der restlichen Fahrt halten. Vier Worte mussten während des Triumphzuges geflüstert werden, die Marius fröhlich ignorieren würde: »Bedenke, du bist sterblich.«
Die Kutsche war von den Pionieren der Legion so gebaut worden, dass sie genau zwischen die Trittsteine der Straßen passte. Die schweren Holzräder waren mit einem Eisenband beschlagen und die Achsen frisch gefettet worden. Der Oberbau war vergoldet und glänzte in der Morgensonne, als wäre er aus massivem Gold.
Als Gaius näher kam, war der Legat gerade dabei, mit ernstem Gesicht seine Truppen zu inspizieren. Er sprach mit vielen seiner Männer, die ihm auch antworteten, dabei jedoch die Augen trotzdem streng geradeaus gerichtet hielten.
Endlich schien der Legat zufrieden zu sein und bestieg die Kutsche.
»Die Bewohner unserer Stadt werden diesen Tag niemals vergessen. Euer Anblick wird die Kinder dazu bringen, der Armee beizutreten, die uns alle beschützt. Auswärtige Botschafter werden uns beobachten und in ihren Beziehungen zu Rom noch vorsichtiger handeln, das Bild unserer Reihen stets im Hinterkopf. Kaufleute werden uns sehen und erkennen, dass es auf der Welt noch etwas anderes gibt als Geldverdienen. Frauen werden uns betrachten und ihre kleinen Männer mit den Besten Roms vergleichen! Seht euer Spiegelbild in ihren Augen, wenn wir vorbeiziehen. Ihr gebt den Menschen heute mehr als Brot und Münzen! Ihr zeigt ihnen, was Ruhm bedeutet!«
Die
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