Imperator 02 - König der Sklaven
zu betrinken wagte. Sie waren wirklich wie Geister, dachte er bleiern. Tödliche, flinke Gespenster, die weißes Fleisch hinter sich auf dem Gras zurückließen.
Seine Söhne hatten Eingreiftruppen zusammengestellt, damit immer frische Kämpfer als Verstärkung zur Verfügung standen, aber es hatte nichts genützt. Mithridates fragte sich, ob seine Soldaten absichtlich langsam vorrückten, um nicht als Erste auf den Feind zu treffen und getötet zu werden. Wenn die Römer verschwunden waren, erschien die Verstärkung mit viel Gebrüll und unter dem Klirren von Schwertern und Schilden. Dann umringten sie die Verwundeten und schrien Beleidigungen in die Nacht hinaus, doch das war nur eine hohle Geste des Trotzes, das letzte Rufen oder Lachen eines Feiglings, nachdem er sich in Sicherheit wusste.
Nach und nach lichtete sich der Nebel, und Mithridates kniff sich mit den kräftigen Daumen in die Wangen, um die Kälte zu vertreiben. Bald würde er die Berichte über die in der Nacht verschwundenen Wachposten erhalten. Er hoffte innig, heute wäre einer der Morgen, an dem alle Männer zurückkehrten und ihr eigenes Glück kaum fassen konnten, während sie vor Erleichterung nach Stunden der Anspannung und Angst taumelten.
Einmal hatte er versucht, den Feind mit einer Truppe von hundert Soldaten, die sich in der Nähe von zwei Wachtposten versteckten, in einen Hinterhalt zu locken. Jeden einzelnen dieser Männer hatten sie am nächsten Morgen tot und starr aufgefunden. Danach hatte er es nicht noch einmal versucht. Geister.
Eine Brise erhob sich um ihn, und er zog den Umhang noch fester um sich. Nach wenigen Minuten hatte sich der Nebel in wehenden Wirbeln aufgelöst und gab den Blick auf die dunkle Ebene frei. Mithridates erstarrte vor Angst, als er die Reihen der Soldaten sah, die dort in vollkommener Stille warteten. Legionäre, in perfekter Schlachtordnung, in Reih und Glied. Das silberne Funkeln ihrer Rüstungen verschwamm schmerzhaft vor seinen Augen. Zwei Kohorten. Eintausend Mann. Sie standen in zweitausend Fuß Entfernung und warteten auf ihn.
Sein Herz schlug schmerzhaft unter den kräftigen Muskeln seiner Brust. Ihm wurde ein wenig schwindelig. Er hörte, wie Rufe durch das Lager hallten, als die überlebenden Offiziere die Männer aus dem Schlaf rissen, damit sie aufstanden und ihre Positionen einnahmen. Da wallte Panik in ihm auf. Eintausend Mann auf einer Seite. Wo war der Rest?
»Sendet die Späher aus!«, brüllte er.
Männer rannten zu ihren Pferden und galoppierten durch das Lager.
»Bogenschützen zu mir!«, fuhr er fort. Der Befehl wurde weitergegeben.
Hunderte von Bogenschützen kamen auf die in den Umhang gehüllte Gestalt zugeströmt. Er versammelte ihre Offiziere um sich.
»Das muss eine List sein, ein Trick. Ihr müsst diese Seite des Lagers schützen. Schießt alle Pfeile ab, die ihr habt, um sie auf Distanz zu halten. Tötet sie alle, wenn ihr könnt. Ich verteidige die andere Seite des Tals, wo der Hauptangriff stattfinden wird. Benutzt alle Pfeile, ohne Zögern. Sie dürfen uns nicht in den Rücken fallen, wenn die anderen angreifen. Das würde unsere Kampfmoral nicht überstehen.«
Die Offiziere nickten, verbeugten sich und spannten noch beim Aufrichten geschickt ihre Bogen. In ihren Gesichtern waren die ersten Anzeichen der Erregung zu sehen, von der Freude an der Macht, den Tod in stechenden Schwärmen auszusenden, während sich die eigenen Männer in Sicherheit befinden.
Mithridates ließ sie ihre Einheiten bilden, nahm sein Pferd von dem Burschen entgegen, der es bereithielt, und trabte durch das Lager zur anderen Seite des Tals. Die Verzweiflung fiel von ihm ab und er reckte sich im Sattel, als er seine Männer überall bereitstehen sah. Es war Tag, und bei Tag konnten sogar Geister getötet werden.
Julius stand an der rechten Flanke der Veteranen, an der Spitze der Ventulus-Kohorte. Drei Reihen zu je einhundertsechzig Soldaten standen hinter ihm; sechs Zenturien zu je achtzig Mann, wobei die Veteranen in der ersten und dritten und die schwächsten Kämpfer in der zweiten Reihe standen, wo sie nicht zaudern oder weglaufen konnten. Zusammen mit Gaditicus und den Männern der Kohorte Accipiter nahmen sie fast eine Meile ein, schweigend und bewegungslos. Jetzt wurden keine Spiele mehr gespielt. Jeder der Wölfe wusste, dass er tot sein konnte, ehe die Sonne hoch am Himmel stand, doch sie hatten keine Angst. Sie hatten ihre Gebete gesprochen. Jetzt ging es ans Töten und
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