Imperator 02 - König der Sklaven
zuflüstern, ihr Sohn sei zu ihr zurückgekehrt, und sie würden alsbald mit dem größten Vergnügen versuchen, diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Es war ganz und gar unmöglich für ihn, ungesehen und unbemerkt durch das Herz der Stadt zu gehen, das wusste sie. Seinem Gang mit dem zum Lauschen geneigten Kopf haftete etwas Wildes, Ungebändigtes an, ein Selbstvertrauen, dem die Menge fast unbewusst Platz machte.
Seit einem Monat hatten sie sich jeden Tag getroffen, zuerst in ihrem Haus und dann zu Spaziergängen durch die Stadt. Am Anfang waren die kleinen Ausflüge eher steif und unangenehm gewesen, im Laufe der Tage jedoch konnten sie unbefangener miteinander umgehen und sogar lachen, auch wenn diese Augenblicke selten waren.
Sie war überrascht, wie viel Freude es ihr bereitete, ihm die Heiligtümer zu zeigen und die Geschichten und Legenden zu erzählen, die sie umgaben. Rom war voller Legenden, und er nahm sie alle mit einem lebhaften Interesse auf, das ihre eigene Begeisterung neu entfachte.
Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und steckte es mit einer beiläufigen Bewegung eng am Hinterkopf zusammen. Ein Mann blieb stehen und starrte sie an. Brutus warf ihm einen finsteren Blick zu, woraufhin Servilia ein Kichern unterdrücken musste. Manchmal versuchte er sie zu beschützen und vergaß dabei, dass sie schon sein ganzes junges Leben lang in der Stadt überlebt hatte. Doch von ihm ließ sie es sich gefallen.
»Heute tagt der Senat«, sagte sie, als sie sah, wie Brutus versuchte, durch die Bronzetüren in die dunkle Vorhalle zu blicken.
»Weißt du, worüber heute debattiert wird?«, fragte er.
Er hatte inzwischen akzeptiert, dass es hinsichtlich des Senats nur wenig gab, worüber sie nicht Bescheid wusste. Er hatte sie nicht gefragt, ob sie Liebhaber in der Nobilitas hatte, aber die Art und Weise, wie er dem Thema vorsichtig auswich, ließ an seinem Verdacht nicht zweifeln. Sie lächelte ihn an.
»Das meiste ist schrecklich öde: Ernennungen, Stadtverordnungen, Steuern. Diesen verstaubten Mumien scheint das Spaß zu machen. Es wird bestimmt dunkel, bis sie fertig sind.«
»Ich würde es mir gerne anhören«, sagte er sehnsüchtig. »Ob nun öde oder nicht, ich würde diesen Leuten gerne einen Tag lang zuhören. Von diesem Gebäude aus werden die Geschicke des gesamten römischen Reiches bestimmt.«
»Nach spätestens einer Stunde würdest du dich langweilen. Der größte Teil der eigentlichen Arbeit passiert im Hintergrund. Was du siehst, ist nur das letzte Stadium von Gesetzen, über denen sie schon wochenlang gebrütet haben. Nichts, was einen jungen Mann begeistern könnte.«
»Mich schon«, erwiderte er. Servilia nahm den wehmütigen Unterton in seiner Stimme wahr und fragte sich erneut, was sie mit ihm anfangen sollte. Es schien ihm zu genügen, die Vormittage mit ihr zu verbringen, aber keiner von ihnen hatte bisher über die Zukunft geredet. Vielleicht war es richtig, einfach nur die Gegenwart des anderen zu genießen, manchmal jedoch sah sie deutlich sein Verlangen, weiterzukommen, das aber bisher noch kein Ziel gefunden hatte. Sie wusste, dass er sich treiben ließ, wenn er mit ihr zusammen war, dass er eine Weile von seinem Lebensweg abschweifte. Sie wollte keinen Augenblick davon missen, aber vielleicht brauchte er doch einen Anstoß, um sich wieder selbst zu finden.
»In einer Woche beraten sie über die Ernennung der höchsten Posten«, sagte sie leichthin. »Rom bekommt einen neuen Pontifex Maximus und neue Beamte. Auch das Oberkommando über die Legionen wird in diesen Tagen festgelegt.« Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sein Kopf ruckartig herumfuhr. Unter seinem entspannten Äußeren schlummerte also doch noch ein ordentliches Maß an Ehrgeiz!
»Ich … sollte mich bei einer neuen Legion verpflichten«, sagte er gedehnt. »Ich könnte fast überall einen Posten als Zenturio annehmen.«
»Ach, ich glaube, für meinen Sohn kann ich etwas Besseres arrangieren«, sagte sie unbekümmert.
Er blieb stehen und ergriff sanft ihren Arm. »Was … wie?«, setzte er an.
Seine Verwirrung brachte sie zum Lachen, und er errötete.
»Manchmal vergesse ich ganz, wie naiv du doch sein kannst«, meinte sie und nahm ihren Worten mit einem Lächeln die Schärfe. »Wahrscheinlich hast du zu viel Zeit mit Marschieren und Kämpfen zugebracht. Ja, daran wird es wohl liegen. Du warst zu lange unter Wilden und Soldaten und hast dich in deinem Leben noch nie um Politik gekümmert.«
Sie hob
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