Imperator 04 - Die Götter des Krieges
niemals verzeihen, General. Euer Cäsar ist entweder ein großer Mann oder ein Narr. Was meint Ihr?«
»Ich glaube, er und Ihr habt vieles gemeinsam. Aber ich bin Euch keine Rechenschaft schuldig, und ich werde mich Euch nicht weiter erklären.«
»Er ist heute Nacht ausgezogen, um meinen Ehemann, meinen Bruder und meinen König zu entführen. Er hat nur einen Bruchteil der Armee gesehen, die Ägypten ins Feld führen kann. Vielleicht stirbt Cäsar bei dem Versuch, oder mein Bruder fällt und wird von Pfeilen durchbohrt. Das ist das große Spiel, General, und das sind die Einsätze. Hört gut zu, was ich Euch sage. Er hat Euch am Leben gelassen, weil er Euch gegenüber blind ist. Er sieht nicht, was in Eurem Herzen vorgeht.«
Sie strich mit der Innenfläche ihrer Hand über seinen Nacken und drückte leicht zu. Brutus dachte, sie müsse in Lotusöl baden, um eine solche Wirkung zu haben. Er spürte einen kleinen Stich, wie von einem Dorn. Vielleicht wäre er weggezuckt, doch all seine Sinne spielten verrückt, und er sehnte sich nach frischer Luft. Er hörte ihre Stimme gedämpft, durch viele gewundene Lagen Stoff hindurch.
»Ich kenne Euch, General. Ich kenne jede Eurer kleinen Sünden und jede große. Ich kenne Euer Herz so genau, wie Cäsar es niemals vermag. Ich kenne den Hass, und ich kenne die Eifersucht. Ich kenne Euch.«
Ihre Hand fiel herab, und er taumelte. Noch immer spürte er die Stelle, wo sich ihre Nägel in seine Haut gedrückt hatten.
»Seid von nun an treu, General, oder bemesst Euer Leben nach einzelnen Herzschlägen. Sein Schicksal bindet ihn an Ägypten und damit an mich, und mein Arm ist lang. Ich werde keinen weiteren Verrat dulden, nicht einmal den Schatten eines Verrats.«
Fassungslos über ihre Deutlichkeit stand Brutus da und starrte sie verwirrt an. »Ägyptische Hure … was hast du mit mir gemacht?«, sagte er benommen.
»Ich habe Euch das Leben gerettet, Römer«, antwortete sie.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, doch ihre Augen blieben kalt und wachsam. Ohne ein weiteres Wort ließ sie ihn allein in der Eingangshalle zurück, wo er zusammengesunken an einer Säule lehnte und den Kopf schüttelte wie ein verwundetes Tier.
Der Kanopische Weg zerschnitt das Herz Alexandrias von West nach Ost. Die zwei Legionen unter Julius’ Kommando trabten in östlicher Richtung darauf entlang, und ihre klappernden Sandalen zerrissen die Stille der Nacht. In der Dunkelheit war die Hauptschlagader der Stadt ein gespenstischer Ort. Tempel fremder Götter erhoben sich über ihnen, und auf beiden Seiten schienen die Statuen bereit, jederzeit zum Leben zu erwachen. Das flackernde Licht der Nachtlaternen warf Schatten auf die grimmigen Gesichter der Männer, die mit gezogenen Schwertern in Richtung Palastviertel liefen.
Julius hielt Schritt mit ihnen und achtete auf seine Atmung, während sich Beine und Brust lockerten. Das Gefühl der Erregung hatte keinesfalls nachgelassen. Wenn überhaupt, dann hatte er sich in eine noch größere Anspannung hineingesteigert, und er fühlte sich jung, während er die Straßen zählte, an denen sie vorbeikamen. Nach der fünften zeigte er nach links, und die Legionäre schwenkten in die Außenbezirke des Palastes ein. Sie folgten derselben Route, die er drei Tage zuvor mit Porphiris eingeschlagen hatte.
Der königliche Palast war kein einziges Gebäude, sondern ein ganzer Komplex verschiedener Bauten zwischen kunstvoll angelegten Gärten. Die ersten Tore waren mit nervösen Wachen bemannt, die durch den Lärm heranstampfender Füße schon lange vorgewarnt waren. Mit Hämmern bewaffnete Soldaten der Zehnten traten vor und zerschmetterten die Barrieren mit ein paar gezielten Schlägen. Das erste Blut dieses Abends wurde vergossen, als die Wachen ihre Waffen hoben und einfach niedergetrampelt wurden, während die Legionen auf das dunkle Geländer hinter ihnen weitereilten.
Das Hauptgebäude, in dem Julius den Knabenkönig getroffen hatte, war überall hell erleuchtet und strahlte in der Nacht. Julius musste seinen Männern keine weiteren Anweisungen geben, um es zu finden. Dort standen weitere Wachen, die zwar tapfer starben, doch die Zehnte hatte sich mittlerweile in einer Kampfreihe formiert, die nur eine richtige Armee noch hätte aufhalten können.
Panik breitete sich im Palastviertel aus. Die Römer trafen nur noch auf sporadische und schlecht organisierte Gegenwehr. Julius hatte den Eindruck, dass niemand hier jemals einen direkten Angriff in
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