Imperator 04 - Die Götter des Krieges
zurückzuzucken, und sie liebkoste seinen Unterkiefer mit einer beinahe obszönen Geste.
»Cäsar, ich möchte, dass du diese Männer zur Strafe fesseln lässt. Sie werden meinem Bruder im Grab dienen.«
Die Höflinge warfen sich vor ihr zu Boden, wie betäubt vor Angst und Elend. Julius gab Domitius ein Zeichen, Stricke zu bringen. Als die Höflinge verschnürt wurden, strich feiner Rauch über sie hinweg. Kleopatras Kopf fuhr hoch, als sie die heiße, verbrannte Luft roch. Wütend wandte sie sich an Julius.
»Was hast du mit meiner Stadt gemacht?«, fragte sie.
Brutus antwortete an Julius’ statt: »Du weißt, dass wir die Schiffe im Hafen in Brand gesetzt haben. Vielleicht haben die Flammen die Gebäude an den Kais erreicht.«
»Und ihr habt sie brennen lassen?«, fuhr sie ihn an.
Brutus sah sie gelassen an. »Wir wurden angegriffen«, sagte er achselzuckend.
Kleopatra war einen Augenblick sprachlos. Dann richtete sie kalte Augen auf Julius. »Deine Männer müssen den Brand löschen, ehe er sich ausbreitet.«
Julius zog bei ihrem Ton die Brauen zusammen, und sie schien die Verstimmung zu spüren, die sich seiner bemächtigte.
»Ich bitte dich, Julius«, fügte sie sanftmütiger hinzu.
Er nickte und rief seine Generäle zu sich. »Ich werde tun, was ich kann«, sagte er und sorgte sich zugleich wegen ihrer sprunghaften Stimmungswechsel. Sie hat einen Bruder verloren und ihren Thron zurückgewonnen, dachte er. An einem solchen Tag ließ sich vieles verzeihen.
Kleopatra verließ den Platz erst, nachdem die Palastwache eine überdachte Sänfte für sie herbeigeschafft hatte und sie auf ihren Schultern davontrug. Julius fiel auf, wie stolz die Gesichter der Wachen waren, als sie ihre Königin zu ihrem Palast trugen.
»Lass Gräben für die Toten ausheben, Octavian«, befahl Julius. »Bevor sie in der Hitze verfaulen. Und die Vierte sollte sich lieber zum Hafen aufmachen, ehe sich das Feuer noch weiter ausbreitet.«
Bei diesen Worten wirbelte ein erkaltetes Stück Asche über seinen Kopf. Er sah zu, wie es zu Boden trudelte, noch immer benommen von den Ereignissen. Der Knabenkönig, der sich an seinen Arm geklammert hatte, war tot. Die Schlacht war gewonnen.
Er wusste nicht, ob sie den Sieg auch ohne das Einschreiten der Königin hätten erringen können. Die Veteranenlegionen wurden alt und hätten nicht mehr viel länger gegen die höher steigende Sonne ankämpfen können. Vielleicht hätte Kleopatras Sklave Verstärkung gebracht, vielleicht wäre Julius aber auch im ägyptischen Sand verblutet.
In ihrer Abwesenheit verspürte er einen wachsenden Schmerz in sich. Er konnte ihren Duft durch den bitteren Geschmack der verbrannten Luft riechen. Er hatte sie als Frau kennen gelernt. Sie als Königin zu erleben hatte ihn verstört und verzaubert, von dem Augenblick an, als die Menge und die Soldaten auf ihr Wort hin im Staub niedergekniet waren. Er schaute der Prozession nach, die auf den Palast zuhielt, und fragte sich, wie wohl die Bürger Roms reagieren würden, wenn er sie mit nach Hause brachte.
»Jetzt können wir gehen«, sagte Octavian. »Nach Rom, Julius.«
Julius sah ihn an und lächelte. Er konnte sich nicht vorstellen, Kleopatra zurückzulassen. »Ich habe mehr Jahre mit Kämpfen zugebracht, als ich mich erinnern kann«, sagte er. »Rom wird noch ein wenig länger auf mich warten.«
29
Als die Sonne aufging, brannte die große Bibliothek von Alexandria lichterloh. Tausende von Schriftrollen wurden zu einem heißen Glutofen, dem sich die Soldaten aus Rom nicht einmal nähern konnten. Von Alexander errichtete Marmorsäulen barsten und zersprangen in der infernalischen Hitze aus Millionen von Gedanken und Worten. Die Männer der Vierten Legion bildeten Eimerketten bis zum Hafen hinunter, kämpften gegen die Sonne und die Erschöpfung an, bis ihre versengte Haut von den Glutfetzen rot und schwarz war. Die Gebäude in der nächsten Umgebung waren leer geräumt, ihre Mauern und Dächer mit Wasser begossen worden, doch die Bibliothek selbst konnte nicht gerettet werden.
Julius stand neben Brutus und sah zu, wie das gewaltige Skelett der Dachbalken einknickte und dann über dem Werk von Generationen in sich zusammenfiel. Beide Männer waren erschöpft, ihre Gesichter rußverschmiert. Sie hörten die lauten Befehle, als sich Löschtrupps in Bewegung setzten, um neu aufzüngelnde Brandherde auszutreten, begleitet vom Singsang der Eimerträger.
»Ein schrecklicher Anblick«, murmelte
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