Imperator 04 - Die Götter des Krieges
Julius.
Das Werk der Zerstörung schien ihn schwer zu treffen, und Brutus sah ihn von der Seite an und fragte sich, ob man ihm die Schuld daran zuschreiben würde. Zwar war den Schiffen aus Kanopus die Zufahrt zum Hafen verwehrt worden, doch es war ärgerlich, zu wissen, dass die Schlacht bereits gewonnen war, bevor sie zu der Belagerung hätten beitragen können.
»Einige dieser Schriftrollen hat Alexander selbst hierher gebracht«, sagte Julius und wischte sich über die Stirn. »Platon, Aristoteles, Sokrates und hunderte andere. Die Gelehrten sind tausende von Meilen weit hierher gereist, um die Werke zu lesen. Angeblich war das hier die größte Sammlung der Welt.«
»Und wir haben sie verbrannt «, dachte Brutus, wagte aber doch nicht, die Worte laut auszusprechen. »Die Werke sind bestimmt auch anderswo erhalten«, brachte er hervor.
Julius schüttelte den Kopf. »Nicht wie hier. Nicht so vollständig.«
Brutus sah ihn an, er konnte die Stimmung seines Freundes nicht begreifen. Er selbst war vom bloßen Ausmaß dieser Zerstörung mehr als beeindruckt; er war fasziniert davon und hatte einen Teil des Vormittags damit verbracht, dem Feuer einfach nur beim Wüten zuzusehen. Die bestürzten Gesichter der Menge ringsum waren ihm gleichgültig.
»Du kannst hier nichts mehr ausrichten«, sagte er.
Julius verzog das Gesicht und nickte, dann schritt er durch die schweigenden Menschentrauben, die sich versammelt hatten, um Zeuge der Vernichtung zu werden. Sie verharrten in unheimlichem Schweigen, und es war seltsam für die Männer, die für all das verantwortlich waren, unerkannt durch sie hindurchzugehen.
Das Grab Alexanders war ein aus weißen Steinsäulen errichteter Tempel inmitten der Stadt, dem göttlichen Gründer Alexandrias gewidmet. Der Anblick der ernsten römischen Legionäre hielt die Schaulustigen fern, als Julius auf der Schwelle stand. Sein Herz pochte heftig, als sein Blick auf den Sarg aus Glas und Gold fiel. Er stand oberhalb der Kopfhöhe eines ausgewachsenen Mannes, mit weißen Stufen nach allen Seiten, auf denen Andächtige hinaufschreiten konnten. Julius konnte schon von unten die im Sarg liegende Gestalt erkennen. Unbehaglich schluckte er Speichel hinunter. Als Junge hatte er das Grab nach der Beschreibung eines Griechischlehrers gezeichnet. In Spanien hatte er Servilia am Fuße von Alexanders Statue geküsst. Er hatte die Berichte über jede seiner Schlachten gelesen und den Mann seit jeher verehrt.
Nun stieg er die Stufen zu dem steinernen Sockel empor und atmete flach in der von Weihrauch geschwängerten Luft. Es schien ihm angebracht an diesem Ort, in einer Umgebung kühlen Todes ohne Verfall. Julius legte die Hände auf das Glas und bewunderte die Kunstfertigkeit des Handwerkers, der die Scheiben und das Bronzegitter, auf dem sie ruhten, gefertigt hatte. Als er bereit war, blickte er nach unten und hielt den Atem an.
Alexanders Haut und seine Rüstung waren mit Blattgold überzogen worden. Während Julius ihn betrachtete, schoben sich die Wolken am Himmel zur Seite, und durch eine Öffnung fiel Sonnenlicht herein. Nur Julius’ Schatten blieb dunkel, eine vor Ehrfurcht erstarrte und staunende Gestalt.
»Mein Abbild fällt auf dich, Alexander«, flüsterte er und prägte sich jeden einzelnen Aspekt dieses Augenblicks ein. Die Augen waren eingesunken und die Nase kaum mehr als ein Loch, aber Julius sah die Knochen und die goldene Haut wie in Stein gemeißelt und konnte sich gut vorstellen, wie der Grieche zu Lebzeiten ausgesehen haben musste. Es war kein altes Gesicht.
Zuerst hatte er es für falsch gehalten, dass man Alexander wie einen der Götter Ägyptens behandelte. Hier, in diesem Tempel, kam es ihm wie eine angemessene Ehre vor. Julius blickte sich um, aber die Eingänge waren von den breiten Rücken seiner Soldaten versperrt. Er war allein.
»Ich frage mich, was du wohl zu mir sagen würdest«, murmelte er auf Griechisch. »Ich würde gern wissen, ob du es gutheißt, dass ein unverfrorener Römer in deiner Stadt steht.«
Er dachte an Alexanders Kinder und daran, dass keines von ihnen bis zum Erwachsenenalter überlebt hatte. Der Erstgeborene des griechischen Königs war mit vierzehn erdrosselt worden. Julius blickte in die Abgründe der Sterblichkeit und schüttelte den Kopf. An einem solchen Ort war es unmöglich, nicht an den eigenen Tod zu denken. Würde hundert Jahre nach seinem Tod ein anderer Mann vor seinem Grab stehen? Lieber wieder zu Asche werden. Ohne Söhne
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