Imperator 04 - Die Götter des Krieges
umgeben und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
»Ich frage mich, was sie …«, fing er an, dann wich der benommene Ausdruck aus den Gesichtern der Bewohner von Alexandria, und sie fielen auf die Knie.
Julius blickte sich verdutzt um und sah, dass auch die Soldaten des Ptolemäus niederknieten, bis ihre Stirnen den Boden berührten. Die römischen Legionäre drehten sich verwundert zu Julius um und warteten auf neue Befehle.
»Zehnte und Vierte, niederknien!«, brüllte Julius instinktiv.
Seine Männer sahen einander an, taten jedoch wie befohlen, allerdings hielten sie die Schwerter bereit. Ciro, Regulus und Domitius ließen sich auf ein Knie nieder, und auch Brutus folgte ihrem Beispiel, als Julius’ Blick ihn streifte, und dann waren nur noch Julius und Octavian auf den Beinen.
»Verlang das nicht von mir«, sagte Octavian leise.
Julius sah ihm in die Augen und wartete. Octavian verzog das Gesicht und kniete nieder.
Hinter den tausenden geneigter Köpfe stand noch eine andere Gruppe auf der anderen Seite des Schlachtfeldes immer noch aufrecht. Die Höflinge des Königs hielten die Köpfe hoch erhoben und verfolgten das Geschehen mit bleichem Entsetzen. Julius sah, wie einer von ihnen nach einem Soldaten trat und ihn eindeutig aufforderte weiterzukämpfen. Der Mann zuckte zusammen, erhob sich jedoch nicht. In Julius’ Augen sahen sie aus wie ein Schwarm bunt bemalter Geier. Er genoss die Angst, die er in ihren geschminkten Gesichtern las.
»Wo ist mein Bruder Ptolemäus? Wo ist mein König?«, rief Kleopatra zu ihnen hinüber.
Julius sah, wie sie leichtfüßig von der Statue heruntersprang und mit langen Schritten durch die Reihen aus klaffendem Fleisch und knienden Männern watete. Sie ging voller Stolz, und als sie an Julius vorbeikam, winkte sie ihm.
»Wo ist mein Bruder?«, rief sie abermals laut.
Ihre Stimme traf die Höflinge wie ein Faustschlag, und sie schienen dahinzuwelken, je näher sie kam, als könnten sie ihre Gegenwart nicht ertragen. Sie teilten sich, als Kleopatra in ihre Mitte trat. Julius folgte ihr dichtauf und sorgte mit funkelnden Blicken dafür, dass keiner wagte, die Hand gegen sie zu erheben.
Ptolemäus lag blass und blutleer auf einem Umhang aus staubigem Goldstoff. Seine Glieder waren würdevoll zurechtgelegt worden, seine rechte Hand ruhte hoch auf der Brust, wo sie eine klaffende Wunde fast vollständig bedeckte. Seine Maske war zerbrochen und lag zu seinen Füßen im Schmutz. Julius schaute in die kindlichen Züge, als Kleopatra die Hand nach ihrem Bruder ausstreckte, und angesichts des kleinen Gladius an seiner Seite verspürte er einen leisen Stich. Kleopatra beugte sich vor und küsste ihren Bruder auf die Lippen, dann richtete sie sich wieder auf. Ihre Augen waren groß vor Schmerz, aber es waren keine Tränen zu sehen.
Während Kleopatra schweigend dasaß, sah sich Julius nach Panek um, denn er wusste, dass er nicht weit sein konnte. Er kniff die Augen zusammen, als er ein wohl bekanntes dunkles Gewand erblickte. Panek saß im Staub, sein Atem ging laut und schwer. Mit zwei raschen Schritten war Julius bei ihm, während sein Zorn erneut aufflammte, doch die Augen, die sich ihm zuwandten, waren stumpf, und die Brust war zerfetzt. Panek lag im Sterben, und Julius hatte keine Worte mehr für ihn.
Hinter seinem Rücken erhob sich Kleopatra. Aus der Menge kam kein Laut, man konnte den Wind hören.
»Der König ist tot«, sagte sie, und ihre Stimme trug über die Menge. »Tragt meinen Bruder zu seinem Palast, mein Volk. Wisset, dass ihr eure Hände an einen Gott legt.«
Ihre Stimme brach, und sie zögerte. Julius berührte sie leicht an der Schulter, doch sie schien es nicht zu spüren.
»Ich, die ich Isis bin, bin zu euch zurückgekehrt. Mein eigenes Blut wurde am heutigen Tag vergossen, ein Tod, der nicht durch die Männer aus Rom verursacht wurde, sondern durch den Verrat meines eigenen Hofes. Erhebt euch und trauert, mein Volk. Benetzt eure Kleider mit Tränen und reibt Asche in eure Haut. Ehrt euren Gott mit eurem Kummer und euren Tränen.«
Der kleine Leichnam des Ptolemäus wurde aufgehoben, der Umhang flatterte unter ihm.
Lange konnte Kleopatra den Blick nicht von ihrem Bruder losreißen. Dann wandte sie sich zu den Höflingen um.
»War es nicht eure Aufgabe, meinen Bruder am Leben zu erhalten?«, murmelte sie und packte den am nächsten Stehenden an der Kehle. Der Mann bemühte sich, vor der Berührung ihrer bemalten Fingernägel nicht
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