Imperator
sich über ihn lustig. »Oh, Thalius! Du bist also doch ein Verschwörer!«
»Nein, das bin ich nicht«, sagte Thalius kühl. »Aber wir leben in einer Zeit der Spione. Ich möchte niemanden bei uns im Raum haben, den ich nicht kenne und dem ich nicht vertraue.«
Aurelia lächelte kalt. »Uns kennst du doch auch nicht – und wenn du uns vertraust, bist du ein Narr.«
»Aber wir sind ohnehin schon Komplizen«, sagte Thalius. »Ihr werdet mich nicht verraten, denn das würde bedeuten, dass ihr euch selbst verratet. Aufgeklärter
Eigennutz – hast du es nicht so ausgedrückt, Aurelia?«
»Und der Junge«, sagte Cornelius, »der Sklave, von dem das Schicksal eines Imperiums abhängt?«
»Ich habe ihn mit Tarcho in die Küche geschickt – und nebenbei bemerkt, ich habe Tarcho befohlen, den Jungen ebenso gut zu beschützen, wie er mich in den letzten acht Jahren beschützt hat.«
»Weshalb hast du uns eingeladen, Thalius?«, fragte Aurelia. »Was willst du heute erreichen? Hast du alles schon so weit durchdacht?«
»Ich bezweifle, dass das einer von uns getan hat«, knurrte Cornelius.
»Offenbar haben wir ein gemeinsames Interesse«, sagte Thalius. »Vielleicht entdecken wir auch ein gemeinsames Ziel. Belassen wir’s fürs Erste dabei.«
Damit schienen sie sich zufriedenzugeben. In dem geschlossenen und verriegelten Raum tranken sie eine Weile schweigend ihren verdünnten Wein.
Claudia Brigonia Aurelia ruhte auf ihrer Liege. Mit ihrer unangestrengten Selbstbeherrschung wirkte sie absolut überlegen. Ihre sanft gekreuzten Fesseln, die Art, wie ihr die Falten des Gewandes um Hüften und Schenkel fielen und von ihren Brüsten hingen – Thalius war sicher, dass nichts von alledem Zufall war, sondern Ergebnis einer lebenslangen Selbstdisziplin. Zweifellos beherrschte sie mit solch einfachen Mitteln mühelos die Männer in ihrer Umgebung, selbst jetzt, wo sie allmählich alt wurde. Er dachte auch an die Geschichte von einer Jahrhunderte zurückliegenden, unerfüllten
Liebesaffäre zwischen ihren Vorfahren, die sie ihm erzählt hatte. Konnte es sein, dass solch unbefriedigtes Begehren ein Echo durch die nachfolgenden Generationen schickte? Aber das war ein sehr unchristlicher Gedanke, entschied er.
Abgesehen von ihrer Sexualität spürte er, dass sie sich für etwas Besseres hielt und sich entsprechend benahm: Absurderweise fühlte er sich vor ihrem kritischen Blick in seinem eigenen Haus unwohl. Obwohl ihre Familie nicht bessergestellt war als die von Thalius, konnte sie ihre Ahnenreihe immerhin bis zu Claudius’ Invasion zurückverfolgen, jenem Zeitpunkt, an dem die britannische Geschichte begann – aber sie sprach auch von Sagen aus der Zeit davor, denen zufolge ihre Familie von königlichem Geblüt war. Vielleicht war ihre Vorfahrin eine Prinzessin von Troja gewesen, denn das Volk der Britannier stammte angeblich von Trojanern ab, die auf der Flucht vor dem Krieg gegen die Griechen jene Streitwagen mitgebracht hatten, mit denen sich Caesar konfrontiert gesehen hatte. Erst als Erwachsenem waren Thalius Zweifel an dieser importierten Legende aus dem Mittelmeerraum gekommen – und er hatte sich zu fragen begonnen, welche wahre Geschichte bei der Auslöschung der britannischen Volksstämme durch Rom verloren gegangen, welche alte, im Gedächtnis bewahrte Weisheit verschwunden war.
Während Aurelia dalag, wanderte Cornelius mit einem randvollen Weinpokal im triclinium umher und sah sich die Fresken und den Wandbehang an. Ihn
schienen Aurelias Reize kaltzulassen. Vielleicht, dachte Thalius, pflückte Cornelius wie angeblich viele von Konstantins östlich angehauchten Höflingen seine Früchte lieber von einem anderen Baum.
Thalius stand mühsam auf, holte einen Weinkrug und schenkte ihnen nach. »In Ermangelung eines Dieners muss ich mich auf meine Pflichten als Gastgeber besinnen. Gefällt dir dieses Fresko, Ulpius Cornelius?«
Das Bild zeigte Jesus Christus zum Zeitpunkt seiner Mission, einen glattgesichtigen Mann von ungefähr dreißig Jahren, die Hand zur Segnung erhoben. Die Gestalt war von Symbolen umgeben: dem chi-rho , einem Strahlenkranz hinter dem Kopf und einem kleinen Akrostichon in einer unteren Ecke.
»Ist ganz gut gemacht«, sagte Cornelius ziemlich herablassend. »Aber Christus war ein Fischer aus Judäa, nicht wahr?«
»Ein Zimmermann.«
»Und ein Unruhestifter. Er hätte niemals eine Toga getragen!«
Thalius lächelte. »So ist er im Musterbuch abgebildet, und mein Künstler besaß
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