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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sein.« Sie streckte eine knochige Hand aus.
    Audax versteckte sich hinter Tarchos massiger Gestalt.
    »Du machst ihm Angst.«
    Sie schaute verständnislos drein. »Cornelius hat mich vor deiner Sentimentalität gewarnt. Du bist Christ, nicht wahr? Eine Religion von Soldaten und Sklaven, wie es heißt.«
    »Was willst du hier?«
    »Nun, dasselbe wie du, glaube ich. Wissen, was die
Zukunft bringt.« Und sie musterte den sich furchtsam duckenden Jungen, als wünschte sie, ihm die gezeichnete Haut einfach abziehen und mit ihr verschwinden zu können.
    Thalius schickte den Jungen mit Tarcho hinaus und befahl dem Haushälter, mehr Wein und Teller mit leichten Speisen zu bringen. Als das übliche gesellschaftliche Prozedere einsetzte, beruhigte sich Aurelia. Aber sie ließ Thalius keinen Moment aus den Augen, wie eine Eule, die eine Maus beobachtet.
    Sie erzählte ihm etwas über sich selbst. Geboren und aufgewachsen in Eburacum, war sie schon in jungen Jahren zur Witwe geworden. Sie hatte die geschäftlichen Beteiligungen ihres Gatten geerbt und war dann in seine Fußstapfen getreten; offenbar brauchte sie den Schatten eines Mannes nicht, um sich einen Platz in der Gesellschaft zu erobern. Ihr Gatte hatte Anteile an einem alten, im Familienbesitz befindlichen Steinbruchunternehmen im Norden des Landes besessen, das Stein für Einrichtungen des Heeres lieferte, darunter auch für den Wall. Und dort im Norden hätten sich die Wege ihrer beider Familien einst gekreuzt, erklärte sie.
    »Das ist alles bloß eine Familiensage«, schnurrte sie. »Geschwätz. Aber in der Sage heißt es, ein Urahn meines Gatten, ein gewisser Brigonius, sei der Liebhaber deiner Urahnin Lepidina gewesen. Sie haben allerdings nie geheiratet und hatten keine Nachkommen.«
    »Und wann war das?«
    »Vor zweihundert Jahren. Zur Zeit des berühmten
Besuchs von Kaiser Hadrian«, antwortete sie und nippte an ihrem Wein. »Und so ist Nectovelins Prophezeiung in die Mythologie meiner Familie eingegangen. In meiner Jugend hat mich diese Geschichte immer gefesselt. Eine eigene Prophezeiung. Welch eine Macht! Daher war ich fasziniert, als ich von Ulpius Cornelius und seinen nicht sehr diskreten Nachforschungen erfuhr.« Sie warf einen ziemlich abschätzigen Blick auf seinen teuren Wandbehang. »Ich dachte, es wäre ein Faden, ein loser Faden im Wandteppich der Zeit, und konnte nicht widerstehen, daran zu ziehen. Das wiederum hat mich zu dir geführt, und hier sind wir nun.«
    »Du sprichst von Macht«, sagte Thalius unbehaglich. »Der Macht wozu?«
    »Zu sehen, wohin unser charismatischer Soldatenkaiser uns führt. Und«, sagte sie kälter, »von der Macht, etwas dagegen zu unternehmen.«
    Thalius zuckte zusammen, rang sich jedoch zu der Überzeugung durch, dass es in seinem eigenen Heim keine Spione des kaiserlichen Hofes gab. »Was hast du gegen Konstantin?«
    »Die Antwort ist einfach«, sagte sie. »Ich mag seine Steuern nicht.« Und so wie Cornelius sich lang und laut über Konstantins Politik im Herzen der Reichsregierung beklagt hatte, so schimpfte Aurelia nun über die Auswirkungen der Dekrete des Kaisers auf ihre eigene Position.
    »Du scheinst mir nicht bankrott zu sein«, warf Thalius sanft ein.

    »Nein, aber bei diesem Steuersatz wird es nicht mehr lange dauern! Thalius, ich weiß, du bist Geschäftsmann und Mitglied einer Kurie, so wie ich. Was für eine lästige Pflicht – findest du nicht? Wusstest du, dass manche Verbrecher und Steuerhinterzieher zur Strafe tatsächlich Kurienaufgaben aufgebrummt bekommen haben? Und wenn man seine Pflichten nicht erfüllt, wird man von den Schlägern des Statthalters verprügelt. Ich weiß, dass es so ist, ich habe es mit eigenen Augen gesehen! Es wundert mich nicht, dass jedermann die Stadt verlässt, wenn er kann – so wie du, Thalius, leugne es nicht.«
    Thalius seufzte. »Ich komme meinen Verpflichtungen nach«, sagte er. So war es auch, aber er wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Als schlimmste Steuer galt allenthalben das chrysargyron , die »Gold-und-Silber«-Abgabe, die Herstellern und Kaufleuten auferlegt wurde, von den Besitzern der großen Tonwarenmanufakturen bis hin zum kleinsten Schuster. Wie die Bauern auf Brachland wurden auch kleine Kaufleute ausgepresst, »bis ihre Knochen brachen«, wie Aurelia sagte. »Und zwar buchstäblich! Du hast es doch bestimmt auch erlebt, Thalius. Wie die Steuerbeamten die Stadt- und Landbewohner zum Forum zitieren – wie sogar Kinder gezwungen werden, gegen

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