Imperator
ziehen sich in die Wildnis zurück.«
Cornelius zwinkerte Aurelia zu. »Welch ein Verlust für die Gesellschaft!«
»Sei nicht so garstig, Cornelius«, mahnte Aurelia leise.
»Offen gestanden, Thalius«, fuhr Cornelius fort, »interessiert mich das Schicksal deiner unoriginellen kleinen Sekte wenig, wenn ich bedenke, wozu Konstantin sie augenscheinlich benutzen will.«
»Und das wäre?«, fragte Aurelia interessiert.
»Liegt das nicht auf der Hand? Konstantin verwandelt das Reich in eine Monarchie. Er wird ein ebenso absoluter und unangefochtener König sein wie die Herrscher des alten Persien oder Ägypten. Und er will die Einheit des Christentums nutzen, um das alles zu festigen; er zwingt uns diese fremde Religion auf, um uns alle zu kontrollieren.«
»Du hast Thalius gefragt, was er gegen einen Kaiser habe, der seinen Glauben angenommen hat«, erwiderte Aurelia. »Nun frage ich dich, Ulpius Cornelius: Was ist schlecht an einem Kaiser, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Reich zu vereinigen? Ist das nicht besser als das blutige Chaos deiner Jugend?«
»Nicht, wenn es auf die falsche Weise geschieht«, antwortete Cornelius. »Nicht, wenn es bedeutet, alles aufzugeben, was Rom überhaupt erst stark gemacht hat. Denn wenn er das tut, mag er zwar auf kurze Sicht Erfolg damit haben, aber auf lange Sicht wird es nur zum Ruin führen.«
Aurelia ließ ein spöttisches Lachen hören. »Und ich hatte dich für einen rationalen Menschen gehalten, Ulpius Cornelius. Bist du etwa ebenso abergläubisch wie Thalius? Fürchtest du, die alten Götter Roms könnten dich strafen, wenn du ihnen den Rücken kehrst?«
Cornelius errötete, und Thalius sah, dass der Vorwurf offenbar nicht ganz unberechtigt war. Aber der Höfling sagte: »Ich spreche von politischen Realitäten, Claudia Aurelia. Von einem System, das jahrhundertelang funktioniert hat. In unserem unendlich flexiblen Pantheon hat es immer Platz für ein oder zwei andere Götter gegeben, sodass sich niemand, von Germanien bis Afrika, von Britannien bis Kleinasien, aus dem kollektiven Bewusstsein des Imperiums ausgeschlossen zu fühlen braucht. Nicht sein Heer hat Rom stark gemacht, sondern seine Integrationsfähigkeit.«
»Aber das liegt daran, dass Roms Götter den Göttern seiner Untertanen so sehr ähneln«, erwiderte Aurelia. »Die Römer waren Bauern wie unsere Vorfahren, Thalius. Und Bauern, die mit ihrem Land verwurzelt sind, haben ortsgebundene Götter. Darum können diese Götter fröhlich nebeneinander existieren – jeder auf seinem eigenen Stück Land. Die Juden waren jedoch Nomaden. Und ihr Gott, der zu Christi Gott wurde, war ein ortloser oder vielleicht allgegenwärtiger Gott, ein unendlicher Gott des Himmels. Aber es gibt nur einen Himmel, und in einem solchen Konzept kann es nur einen Gott geben. Jetzt akzeptieren die Römer diesen einzigen nomadischen Gott als den ihren. Es wird zu einem Kampf auf Leben und Tod kommen, Cornelius, zu einem Kampf zwischen den alten Bauerngöttern und dem neuen Himmelsgott, denn für beide ist kein Platz. Jetzt wird es nur Ausgrenzung und Intoleranz geben.«
Cornelius schürzte die Lippen, und Thalius sah,
wie sehr er es verabscheute, von einer Provinzlerin auf diese Weise analysiert zu werden, ganz gleich, wie zutreffend ihre Argumente sein mochten. »Nun, du bist auch hier, Claudia Aurelia. Was hast du gegen Konstantin?«
Aurelia ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Vermutlich hatte sie in ihrem Arbeitsleben ständig mit einschüchternden Männern wie Cornelius zu tun. »Ganz einfach. Ich mache mir keine Sorgen um das Schicksal von Imperien, noch weniger um die unsterblichen Seelen der Menschen, sondern um Britannien.« Sie schimpfte über Konstantins übermäßig hohe Steuern und wiederholte die Gerüchte, die ihr zu Ohren gekommen waren, denen zufolge Konstantin plante, die Hauptstadt des Reiches endgültig in den Osten zu verlegen. »Irgendwohin nach Griechenland, heißt es, oder nach Kleinasien, vielleicht sogar nach Afrika. Weißt du etwas darüber?«
Der Höfling zupfte an seiner Lippe. »Es gibt immer Gerüchte. Und es gibt praktische Fragen, die dabei eine Rolle spielen, nicht zuletzt der vorherige Sieg über Licinius. Aber ja, man spricht über solche Dinge. Rom wird immer das Herz des Imperiums bleiben. Aber Rom ist keine sonderlich geeignete Hauptstadt: Es liegt weitab von den Grenzprovinzen wie Britannien, wo man die Kräfte des Imperiums konzentrieren muss. Es ist übervölkert, unordentlich,
Weitere Kostenlose Bücher