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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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»Nicht nur, dass Konstantin mit jahrhundertealten Traditionen gebrochen hat, ganz nebenbei hat er auch noch das der gegenseitigen Kontrolle dienende Kräftegleichgewicht in einem kaiserlichen System zerstört, das sich seit Augustus’ Zeiten entwickelt hatte …« Aber Thalius war davon überzeugt, dass Cornelius’ Sorgen nicht dem Wohlergehen des Reiches galten, sondern seinen eigenen Ambitionen.
    Und es fiel Thalius auf, dass Cornelius trotz all seiner Kultiviertheit und Macht so besessen von höfischen Intrigen und seinen eigenen Bestrebungen war, dass er die tieferen Wahrheiten seiner Zeit einfach nicht sehen konnte. Schließlich war das Reich seit Thalius’ Geburt beinahe vollständig zusammengebrochen. Man konnte
sich über Konstantins Reformen beklagen, wie Thalius es ja auch tat, aber war es nicht möglich, dass der Kaiser in Wirklichkeit gar nicht anders handeln konnte, wenn er das Imperium zusammenhalten wollte?

VIII
    Endlich näherte sich die Karawane den abweisenden Mauern Camulodunums. Die ersten Kutschen gelangten an ein Tor in der Westmauer, das seltsamerweise früher einmal ein Triumphbogen gewesen war, bevor man ihn in die Mauer einbezogen hatte. Jetzt war es meistens verschlossen. Hier löste die Karawane sich auf.
    Froh darüber, Ulpius Cornelius für eine Weile los zu sein, führte Thalius seine Gefährten zu seinem Stadthaus ganz in der Nähe des Forums. Thalius’ letzter Aufenthalt in Camulodunum lag schon einige Monate zurück. Obwohl er hier aufgewachsen war und seine Geschäfte eng mit der Stadt verbunden waren, zog er sein einen halben Tagesritt entfernt gelegenes Landgut vor. Als er nun durch die schmutzige, verfallene Stadt ging, in der es von Straßenhändlern, kleinen Gaunern, Bettlern und Dirnen wimmelte, die alle vom flitterhaften Glanz des Hofes eines Soldatenkaisers angelockt wurden, wusste er wieder, warum.
    Der prächtige alte Claudius-Tempel stand jedoch immer noch, er erhob sich aus einem Meer unbebauter Grundstücke, verfallender Häuser, ungepflegter öffentlicher Gebäude und von Schmutz übersäter Straßen.
Als sie am Säulengang vorbeikamen, schaute Thalius hinein und sah die riesige, von Kerzen und Lampen beschienene Statue des schlauen alten Fuchses, den Arm noch immer zum Siegeszeichen erhoben, wie schon seit dreihundert Jahren. Im Innern dieses Tempels für einen vor langer Zeit gestorbenen Kaiser, an dessen Großtaten sich kaum einer der Passanten noch erinnerte, hatte man jedoch eine kleine christliche Kapelle errichtet.
    Thalius war erleichtert, als er sein bescheidenes, aber gut erhaltenes Stadthaus erreichte. Er war zu alt für diese Herumreiserei, dachte er, zu alt, um sich mit komplizierten und bösartigen Menschen wie Ulpius Cornelius abzugeben. Hinter den Mauern seines Hauses hatte er die Dinge wenigstens eine Zeit lang im Griff und konnte ein wenig Frieden finden.
    Darum war er nicht gerade erfreut, als er feststellte, dass er Besuch hatte. Im seinem Wohnraum wartete eine Frau auf ihn. Sie saß unter seinem teuersten Wandbehang, der einen von Säulengängen umgebenen Hof unter einer hellen mediterranen Sonne zeigte, und nippte an verdünntem Wein, der ihr von dem älteren Freigelassenen serviert wurde, den Thalius als Haushälter beschäftigte.
    Sie erhob sich, als Thalius auf sie zukam. Sie war ungefähr sechzig, schätzte Thalius, gut gekleidet und gelassen, mit hohen Wangenknochen und ausgeprägtem Kinn. Ihre Gesichtsfarbe war dunkel, und sie trug ihr grau meliertes schwarzes Haar aus dem Gesicht gekämmt. Sie fürchtete sich also nicht davor, ihr Alter zu
zeigen. Die Frau hatte etwas von Ulpius Cornelius’ kaltem, befehlsgewohntem Gehabe und wirkte sofort einschüchternd auf Thalius.
    Und sie war bemerkenswert attraktiv. Trotz ihres Alters haftete ihr etwas Sinnliches, ja sogar Animalisches an, und sie schien die Dünste ihrer Düfte als Waffe zu benutzen, um ihn zu verwirren.
    Thalius, noch schmutzig von der Straße, kam sich in seinem eigenen Haus minderwertig vor. Ihre unwiderstehliche Anziehungskraft schwächte ihn, was sie gewiss bemerkte und zweifellos beabsichtigt hatte. Auf einmal war sein Leben noch komplizierter geworden, dachte er müde.
    »Ich glaube, du weißt, wer ich bin.« Ihre Stimme war rauchig.
    »Du musst Claudia Brigonia Aurelia sein. Deine Korrespondenz mit Ulpius Cornelius …«
    »Welch ein hilfsbereiter Mann.« Sie warf Audax einen Blick aus wässrigen, aber hellen Augen zu. »Und das muss der geheimnisvolle Sklavenjunge

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